Atomenergie Der atomare Nachlass bleibt länger in der Nachbarschaft

Berlin · Behörde: Dezentrale Zwischenlager müssen bis zur Fertigstellung des Endlagers betrieben werden. Bald wird es neue Castor-Transporte geben.

 Das Zwischenlager für Atommüll am Kernkraftwerk Philippsburg ist mit 34 Castor-Behältern gefüllt.

Das Zwischenlager für Atommüll am Kernkraftwerk Philippsburg ist mit 34 Castor-Behältern gefüllt.

Foto: dpa/Uli Deck

Die letzten Atomkraftwerke werden 2022 abgeschaltet, da wächst vielerorts der Wunsch, sich ganz vom strahlenden Nachlass des nuklearen Zeitalters zu befreien. Doch nach Auffassung des zuständigen Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) müssen die 13 dezentralen sowie drei zentralen Zwischenlager sogar noch viel länger betrieben werden als ursprünglich geplant. Bis das Endlager gefunden, ausgebaut und in Betrieb genommen ist, wird es sicher 2050.

Derzeit werden die abgebrannten Brennstäbe und anderes hochradioaktives Material direkt an den bisherigen Reaktorstandorten gelagert. Die Kapazitäten dort sind auch ausreichend. Hinzu kommen „zentrale“ Zwischenlager in Gorleben und Ahaus, die schon lange in Betrieb sind, sowie in Lubmin nahe Greifswald für den atomaren Müll der einstigen DDR. Die Genehmigungen für alle Zwischenlager wurden seit Anfang der 1990er Jahre für jeweils 40 Jahre erteilt; die ersten laufen 2032 aus. Grund: Man rechnete mit einer Inbetriebnahme des Endlagers Gorleben zu diesem Zeitpunkt.

Doch dieser Plan ist durch die in der vergangenen Legislaturperiode beschlossene neue Endlagersuche über den Haufen geworfen worden. Das Projekt Gorleben wurde aufgegeben, nun wird bundesweit in einem offenen Verfahren nach einem Standort gefahndet. Der ganze Prozess wird wohl erst 2050 mit der Inbetriebnahme enden – wenn überhaupt. Gegen Forderungen, die dezentralen Zwischenlager deshalb aufzulösen und das Material bis dahin irgendwo anders unterzustellen, wandte sich nun BfE-Präsident Wolfram König. Dann müssten bis zu 1900 Castor-Behälter innerhalb Deutschlands in ein neues zentrales Zwischenlager gebracht werden, sagte er. Dafür gebe es keinen Grund, zumal nicht klar sei, wohin das Material solle.

Die bestehenden Zwischenlager seien alle sicher und würden zudem ständig nach den jeweils neuesten Standards überprüft. Das müsse das alleinige Kriterium sein. Einen Sicherheitsrabatt gebe es nicht. Zuletzt seien einige Zwischenlager nachgerüstet worden, um auch absichtlich herbeigeführten Flugzeugabstürzen standzuhalten. König, der Mitglied der Grünen ist, sprach von „Absetzbewegungen“ und „populistischen Forderungen“, die umso unverständlicher seien, als die betroffenen Gemeinden in der Vergangenheit von der Kernenergie profitiert und sich meist sogar für eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke ausgesprochen hätten.

Die Absetzbewegungen dürften aber lauter werden. König kündigte an, dass es wohl noch in diesem Jahr Genehmigungen für die Rücknahme von deutschem Atommüll aus den Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) geben werde. Insgesamt 26 Castor-Transporte soll es geben. Die fünf Behälter aus La Hague sollen im Zwischenlager Philippsburg (Baden-Württemberg) enden, die 21 Behälter aus England gleichmäßig auf die Zwischenlager Brokdorf (Schleswig-Holstein), Isar (Bayern) und Biblis (Hessen) verteilt werden. Ohne Widerstände wird das kaum abgehen, zumal in Bayern und Hessen Landtagswahlen sind.

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