Auch Europa erstickt im Autoverkehr

Berlin · Eine Studie der Grünen zeigt eine global starke Zunahme des Benzinverbrauchs. Und trotz verschiedener Kampagnen und Bemühungen gibt es offenbar auch keinen Fortschritt in Deutschland.

Berlin. Als einzelnes Thema spielt er bei den Klimaverhandlungen in Paris keine zentrale Rolle, und doch ist er ein zentrales Problem der Zukunft: der Straßenverkehr. Das Hamburger Forschungsinstitut EnergyComment kommt in einer Studie für die Grünen-Bundestagsfraktion jetzt zu dramatischen Zahlen. Weltweit steigt der Benzinverbrauch und macht alle Klimaanstrengungen zunichte. Und auch Deutschland bildet, trotz aller Sparmotoren, keine Ausnahme.
Global rechnen die Autoren auf der Basis internationaler Studien bei unveränderter Verkehrspolitik mit 2,2 Milliarden Autos und leichten Nutzfahrzeugen im Jahr 2040. Das sind doppelt so viele wie heute.
Der Ölverbrauch für den gesamten Verkehr (inklusive Flugzeug und Schiff) wird sich zwar nicht von den derzeit registrierten 49,5 Millionen Barrel pro Tag verdoppeln, aber auf 60,4 Millionen Barrel steigen. Der Verkehr stößt dann 8,9 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) CO statt heute 7,3 Gigatonnen aus. 1970 waren es vier Gigatonnen. Zum Vergleich: Der Gesamtausstoß Deutschlands liegt inklusive Strom und Heizenergie derzeit knapp unter einer Gigatonne.
Technologisch in der Sackgasse


Laut der Studie gibt es bei Verbrennungsmotoren seit 1990 kaum noch wirkliche Effizienzfortschritte. Man sei technologisch hier in einer Sackgasse. Wenn es Fortschritte gibt, dann auf dem Papier. Messungen zeigten, heißt es, dass die Verbrauchswerte in der Realität weit höher liegen als offiziell angegeben. Aktuell werden von der Autoflotte in Europa derzeit in Wirklichkeit 168 Gramm CO pro Kilometer im Durchschnitt ausgestoßen und nicht 123 Gramm wie angegeben. Eine Abweichung um 40 Prozent. Der VW-Skandal ist in diese Zahlen nicht eingearbeitet.
Alternativen wie Biogas oder Erdgas kommen laut der Studie beim Marktabsatz nicht mehr nennenswert voran, und Elektroantriebe machen gerade mal 0,08 Prozent des globalen Fuhrparks aus.
Weltweit stellen die Forscher dagegen einen massiven Nachfrageboom nach sogenannten SUVs fest - großen Geländeautos. In China machten sie zusammen mit Minivans (Kleinbussen) im vergangenen Jahr 30 Prozent aller Verkäufe aus, in den USA sogar 36,5 Prozent. Wegen dieser Vorlieben hatten Neufahrzeuge in den USA und in China im ersten Halbjahr 2015 auf dem Papier einen Durchschnittsverbrauch von 7,7 Litern auf 100 Kilometer, was in der Praxis neun bis zehn Liter bedeutet. "Der Verkehrssektor bleibt damit weit unter seinen technischen Möglichkeiten", schreiben die Autoren.
Laut aktuellen Zahlen sieht es in Deutschland nicht viel besser aus. 2015 wird hierzulande mit einem Absatz von 617 000 SUVs gerechnet, rund 18 Prozent aller Neuwagen.
Die Grünen nehmen die Studie zum Anlass, um für eine grundlegende Wende in der Verkehrspolitik zu werben. "Wir müssen andere Mobilitätskonzepte entwickeln und jetzt mit anderen größeren Volkswirtschaften koordiniert in die Elektromobilität einsteigen", erklärte der Grünen-Verkehrspolitiker Markus Tressel. Dazu gehöre auch eine staatliche Anschubfinanzierung für Elektroautos.
Die Autoren der Studie hingegen warnen, die E-Mobilität könne sogar zu einem höheren Verbrauch führen, weil die niedrigen Verbrauchskosten dazu verführten, mehr zu fahren. Ähnlich wie die derzeit niedrigen Benzin- und Dieselpreise.
Die Forscher fordern einen Mix aus staatlichen Fördermaßnahmen für umweltschonende Verkehrsmittel und Restriktionen gegen Verbrennungsmotoren. Und in den rasch wachsenden Städten in den Schwellen- und Entwicklungsländern müssten sofort die Weichen gegen eine Motorisierung nach westlichem Vorbild gestellt werden.Extra

Das Umweltbewusstsein wächst zwar, doch mit ihrem Lebensstil belasten die Deutschen Umwelt und Klima immer noch stark. Ein Energiefresser ist nach Angaben des Umweltbundesamtes die hohe Zahl von Single-Haushalten. Inzwischen lebt in rund 40 Prozent aller Häuser und Wohnungen ein Mensch alleine. Das bedeutet oft mehr Platz für den Einzelnen, was mit mehr Aufwand für Strom und Heizung verbunden ist. Je mehr Haushalte es gibt, desto mehr Konsumgüter wie Autos, Waschmaschinen, Kühlschränke und Computer werden angeschafft. Deren Herstellung hat ebenfalls negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Wie aus einer am Dienstag verbreiteten Broschüre des Amtes hervorgeht, stieg die Zahl der Autos zwischen 1995 und 2013 an - von 494 auf 537 Autos pro 1000 Einwohner. Auch in puncto Nahrungsmittelproduktion liegt laut Behörde einiges im Argen. Der Fleischkonsum ist zwar zwischen 2000 und 2013 von 2,8 Millionen Tonnen auf 2,6 Millionen Tonnen pro Jahr gesunken. Gleichzeitig stiegen die Fleischexporte von 0,8 Millionen auf drei Millionen Tonnen. dpa

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