Auf dem Heimweg verschwunden

TRIER. Jakob, Pascal, Tom und Sonja - die Meldungen über Misshandlungen und Gewaltverbrechen an Kindern häuften sich in den vergangenen Monaten. Sie schüren auch bei Eltern in der Region Angst. Der TV fragte nach, wie Gewalt in Familien thematisiert und Kinder geschützt werden können.

 Oft ein schwieriger Balanceakt: Eltern sollten ihren Kindern schon früh beibringen, auch gegenüber Erwachsenen ihre Gefühle zu zeigen und "Nein" zu sagen.Foto: TV -Archiv/Marcus Stölb

Oft ein schwieriger Balanceakt: Eltern sollten ihren Kindern schon früh beibringen, auch gegenüber Erwachsenen ihre Gefühle zu zeigen und "Nein" zu sagen.Foto: TV -Archiv/Marcus Stölb

Jakob,Pascal, Tom und Sonja wurden Opfer von Gewaltverbrechen auf demWeg von der Schule nach Hause, beim Spielen oder weil sie mitjemandem mitgingen, dem sie vertrauten. Grausam alltäglich sinddie Situationen, in denen Kinder in Gefahr geraten können. DieFernsehbilder von Trauer, Angst und Wut in Eschweiler, derHeimatstadt von Tom und Sonja, verunsichern auch Eltern in derRegion. "Ich habe Angst, ich lasse meine Kinder nicht allein inden Wald laufen", sagt eine Kernscheider Mutter eines sieben- undeines neunjährigen Sohnes, "ich muss sie vom Haus aus sehenkönnen." "Wenn in den Medien über Kindesmissbrauch berichtet wird, haben wir immer viele Anfragen nach Elternabenden zu dem Thema", erzählt Manfred Becker, Psychologe und Leiter des Kinderschutzdienstes in Trier.

Für Eltern ist es ein Wechselbad der Gefühle. "Einerseits wollen Eltern ihre Kinder nicht unter einer Schutzglocke leben lassen. Kinder brauchen ja auch Freiräume, um sich zu erproben. Andererseits tragen sie die Verantwortung. Und im Ernstfall können sich Kinder nicht wehren", sagt Michael Charles, Sexualpädagoge bei Pro Familia und Vater von zwei Kindern. Dennoch sehen Polizei und Kinderschützer keinen Anlass für Panik und Hysterie. "Die Kinder Zuhause festzuhalten, halte ich für falsch", sagt Christa Lentes von der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle des Polizeipräsidiums Trier. Es gebe faktisch nicht mehr Kindermorde, sie würden nur deutlicher wahrgenommen, weil die Medien mehr darüber berichteten. "In den letzten zwanzig Jahren ist die Zahl der Kindermorde nahezu unverändert geblieben." Verbrechen mit tödlichem Ausgang seien "absolute Ausnahmefälle", betont sie.

Die Gefahr, dass Kinder von Fremden sexuell missbraucht werden, sei ebenfalls verhältnismäßig klein. "Sexueller Missbrauch geschieht zu über 90 Prozent im näheren sozialen Umfeld des Kindes. Die Täter sind Verwandte oder Bekannte."

Doch wie können Eltern ihre Kinder vor diesen Übergriffen schützen? Christa Lentes, Michael Charles und Manfred Becker sind sich einig: Selbstbewusste und kritische Kinder sind besser geschützt. Jungen und Mädchen stark zu machen gegen mögliche Gewalt sei ein stetiger Prozess, der schon im Kleinkindalter beginne und der Vertrauen zwischen Eltern und Kindern voraussetze. "Wichtig ist das permanente Gespräch. Eltern müssen Zeit haben für die Kinder. Sie müssen auf ihre Fragen hören und Antworten geben, aber auch Gelegenheiten schaffen, um über Dinge zu sprechen, die sie von sich aus nicht ansprechen", sagt Manfred Becker. "Kinder, die wissen, dass sie über alles reden können, sind am besten geschützt", ergänzt er.

An das Thema Gewalt müssten insbesondere kleine Kinder jedoch vorsichtig herangeführt werden. Kindern am Beispiel der aktuellen Fälle Angst zu machen ("Das kann Dir auch passieren") sei falsch. Vielmehr könne den Kleinen durch Märchen, Kinderbücher oder anhand von Nachrichten erklärt werden, dass ihnen Unrecht geschehen kann. "Eltern sollten ihre Kinder aber nicht mit ihrer eigenen Angst zudecken", warnt Becker. "Je sachlicher und undramatischer sie das Thema ansprechen, desto weniger werden sie sie verängstigen."

Michael Charles betont die Wichtigkeit einer frühen Sexualerziehung: "Schon mit Drei- oder Vierjährigen kann man über Sexualität sprechen und das Thema sollte immer wieder ganz natürlich einfließen. Jungen und Mädchen sollten ihren Körper kennen und Körperteile auch benennen können. Das ist die Grundlage, um Übergriffe wahrnehmen und sich dagegen wehren zu können."

Schon früh sollte Kindern das Bewusstsein vermittelt werden, dass nur sie allein über ihren Körper bestimmen dürfen. Dazu gehöre, dass sie lernen, ihre Gefühle auszudrücken und ungewollten Annäherungen eine klare Absage zu erteilen.

Weitere Informationen über Kurse in Kindergärten und Schulen oder Elternabende bei Pro Familia unter Telefon 0651/22660, bei der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle unter Telefon 0651/9779-2152 oder beim Kinderschutzdienst unter Telefon 0651/9911800. Tipps im Internet: www.arbeitskreis-neue-erziehung.de

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