Auf den Brexit folgt für Berlin der nächste politische Schock

Berlin · Nach dem Brexit wird für die Deutschen der nächste politische Alptraum Realität: Der neue US-Präsident heißt Donald Trump. Was kann Angela Merkel jetzt tun?

Man braucht noch ziemlich viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie das sein wird, wenn sich Angela Merkel und Donald Trump das erste Mal gegenüberstehen. Die Kanzlerin mit ihrem protestantisch-nüchternen Stil und der neue, großsprecherische US-Präsident, Macho durch und durch.

Unterschiedlicher geht kaum. Eigentlich kann Merkel mit solchen Leuten überhaupt nichts anfangen. Aber in der internationalen Politik kann man sich die Partner eben nicht aussuchen. Mit der Wahl des 70-jährigen Populisten zum Nachfolger von Barack Obama ist für viele in Deutschland ein Alptraum wahr geworden.

Trotz deutscher Wurzeln - Trumps Großvater stammt aus der Pfalz - hätte ihn nach allen Umfragen hierzulande kaum jemand gewählt. Mehr als drei Viertel der Bundesbürger erwarten, dass das Verhältnis zwischen der einzigen verbliebenen Weltmacht und Europas aktuell einflussreichsten Land nun schlechter wird. Auch in der deutschen Politik machte kaum jemand aus seiner Ablehnung gegen den Republikaner einen Hehl.

Bundespräsident Joachim Gauck sagte noch vor kurz vor der Wahl: „Was uns unter anderem Sorgen machen muss, ist seine Unberechenbarkeit.“ Außenminister Frank-Walter Steinmeier nannte Trump sogar einen „Hassprediger“ - für diplomatische Verhältnisse ein vernichtendes Urteil. Merkel hielt sich mit öffentlichen Äußerungen zurück. Aber dass sie Hillary Clinton so viel mehr den Vorzug gegeben hätte, ist klar.

Persönlich begegnet sind sich Merkel und Trump noch nie. Er bezeichnete im Wahlkampf ihre Politik als „totales Desaster“. Merkel selbst beschrieb er als Regierungschefin ohne jede Kontrolle, die Terroristen ins Land lasse. So etwas vergisst die Kanzlerin nicht. Trotzdem wird man sich nun aneinander gewöhnen müssen.

Die Hoffnung, dass nicht kommen wird, was nicht kommen darf, hat sich nicht erfüllt. Das Worst-Case-Szenario ist Wirklichkeit. Viele in Berlin fühlten sich Mittwoch früh an den Morgen des 24. Juni erinnert - als das Referendum ausgezählt war, mit dem sich die Briten entgegen der meisten Prognosen gegen die EU entschieden. Nur, dass die Zukunftssorgen jetzt noch um ein Vielfaches größer sind.

Die USA-Kennerin Sylke Tempel von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) findet klare Worte: „Mit Trump wurde ein Mann in das wichtigste Amt der Welt gewählt, der sich nicht beherrschen kann, keine politische Erfahrung besitzt, Kritik als Angriff auf seine Person empfindet und ganz offensichtlich rachsüchtig ist. Das alles ist Gift für eine gedeihliche Außenpolitik.“

Hinzu kommt, dass niemand weiß, was nun aus Washington zu erwarten ist. Alle deutschen Versuche, über diplomatische Kanäle Kontakte ins Trump-Lager aufzubauen, blieben bislang schon im Ansatz stecken. Keine Ahnung auch bislang, wer nun Außenminister wird. Einer von Trumps wenigen bekannten Beratern, der Ex-General Keith Kellogg, pries ihn als „Realpolitik-Kerl“, der beispielsweise Abmachungen mit Wladimir Putin treffen könne, um in Syrien gemeinsame Sache gegen die Islamisten zu machen. Trump, ein Realpolitiker?

Daran gibt es in Berlin starke Zweifel. Hier hat man andere Aussagen notiert. Wie zum Beispiel, dass er die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) „„platt bomben“ werde. Groß ist die Sorge, dass Trump tatsächlich aus internationalen Abkommen aussteigen wird: nicht nur - wie erwartbar - aus dem Atomabkommen mit dem Iran, sondern zum Beispiel auch aus bestehenden Freihandelsvereinbarungen oder dem Klimavertrag von Paris. Und was wird aus der Nato? Im Wahlkampf stellte Trump auch die Bündnispflichten in Frage.

Jedenfalls will er die Nato-Partner - auch Deutschland - für militärischen Schutz stärker zur Kasse bitten. Wer vor der Wahl die allgemeine Anti-Trump-Stimmung in Deutschland etwas auflockern wollte, erinnerte an Ronald Reagan, den US-Präsidenten der 80er Jahre. SPD-Altkanzler Gerhard Schröder zum Beispiel verwies darauf, dass Reagan hier zu Beginn ebenfalls äußerst unbeliebt war und dann doch ein geachteter Präsident wurde. Für die DGAP-Expertin Tempel ist das aber fraglich: „Reagan hatte ein Programm.

Und er hat nie die Grundlage der Demokratie in Frage gestellt. Trump hat bereits im Wahlkampf die Grundlagen der Verfassung in Zweifel gezogen. Er hat höchstens das Zeug, zum unverantwortlichsten Präsidenten der USA zu werden.“ Trotzdem wird Merkel nicht darum herumkommen, dem künftigen Präsidenten des wichtigsten Politik- und Handelspartners zu gratulieren. Alles Andere wäre ein beispielloser Affront. Ob der Glückwunsch zunächst nur schriftlich oder auch durch einen Anruf geschehen sollte, war zunächst nicht bekannt.
Wann sich Merkel und Trump - übrigens bereits „ihr“ dritter US-Präsident - nun das erste Mal gegenüberstehen werden, steht noch in den Sternen. Spätestens Mitte nächsten Jahres wird Trump aber in Deutschland erwartet: Am 7. und 8. Juli findet in Hamburg der Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) statt. Auch wenn er so vieles anders machen will: Für den neuen mächtigsten Mann der Welt ist das ein Pflichttermin.

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