Auf den Tisch statt in die Tonne

Paris · Die französische Nationalversammlung verpflichtet Supermärkte, verfallene Lebensmittel künftig an Hilfsorganisationen abzugeben. Schon jetzt machen viele Läden das auf freiwilliger Basis.

Die Szene ist traurig: Jeden Abend kurz vor Ladenschluss werfen die Angestellten des Supermarkts Carrefour im gutbürgerlichen Pariser Vorort Boulogne-Billancourt die abgelaufenen, halb verdorbenen Lebensmittel in Müllcontainer, die vor dem Ausgang stehen. Dort warten schon mehrere Bedürftige, die die Abfälle nach Essbarem durchsuchen und damit verschwinden. Wenn es nach der französischen Nationalversammlung geht, soll es solche Aktionen künftig nicht mehr geben. Vergangene Woche verabschiedeten die Abgeordneten einstimmig einen Gesetzeszusatz, der den Lebensmittelläden das Wegwerfen verbietet.
"Es ist ein Skandal, Lebensmittel wegzuwerfen, wenn andere Hunger leiden", sagt der sozialistische Abgeordnete Guillaume Garot, von dem die Gesetzesinitiative ausging. 20 bis 30 Kilo Lebensmittel landen pro Person jedes Jahr in Frankreich im Abfall - sieben Kilo davon noch originalverpackt. Geschockt ist Garot vor allem von der Praxis einiger Supermärkte, ihre verfallenen Lebensmittel mit Chlorwasser zu überschütten, um sie zu vernichten.
35 Prozent der Lebensmittel aus Supermärkten
Das ist künftig verboten. Ebenso verpflichtet das neue Gesetz Supermärkte mit einer Fläche von über 400 Quadratmetern bis 1. Juli 2016 ein Abkommen mit einer Hilfsorganisation zu treffen, die die aussortierten Lebensmittel weiter verteilt. Was nicht mehr essbar ist, wird zu Tiernahrung oder Kompost verarbeitet. "Diese Regelung stärkt die Partnerschaft, die seit langem zwischen uns und den Supermärkten besteht", begrüßten die Banques alimentaires, die mit den deutschen Tafeln vergleichbar sind, die Entscheidung. Schon jetzt kommen 35 Prozent der von der Organisation verteilten Lebensmittel aus Supermärkten, die ihre nicht mehr frischen Waren freiwillig abgeben - wie es auch in Deutschland üblich ist. In Frankreich ist die Nachfrage nach Lebensmittelspenden groß, denn mit der Rekordarbeitslosigkeit wächst auch die Zahl der Bedürftigen. Ihnen soll nun das neue Gesetz helfen.
"Auch wenn zahlreiche Supermärkte sich zur Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen verpflichtet haben, machen es viele nicht regelmäßig und dauerhaft. Es gibt also noch beträchtliches Potenzial", heißt es in einem Bericht, den Garot im April der Nationalversammlung vorlegte. Doch die Supermärkte sind nicht begeistert von dem Verwaltungsaufwand, der nun auf sie zukommt. "Es ist gut, die Verschwendung zu verbieten, aber das Sammeln der Lebensmittel muss auch organisiert werden", bemerkt Michel-Edouard Leclerc von der Supermarktkette Leclerc.

Probleme für kleinere Läden
Auch der Einzelhandelsverband FCD verweist darauf hin, dass vor allem kleine Läden Probleme bekommen, beispielsweise bei der Lagerung der abgelaufenen Lebensmittel. Außerdem seien die Supermärkte ohnehin nur für fünf Prozent der weggeworfenen Nahrung verantwortlich. Die größte Verschwendung passiere in den Haushalten.
Auf die Hilfsorganisationen, die das Gesetz generell begrüßen, kommen ebenfalls neue Aufgaben zu. So müssen sie die zusätzlichen Spenden künftig auch richtig transportieren, lagern und verwalten. "Die neue Regelung darf nicht zu zusätzlichem Druck für die Hilfsorganisationen werden und die bestehenden Partnerschaften nicht gefährden", fordern die Restos du Coeur (Restaurants des Herzens). Mit gutem Beispiel ging bereits Carrefour voran: die Supermarktkette stellte den Banques alimentaires 200 Kühllaster für den Transport der Lebensmittel zur Verfügung.

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