Auf dünnem Eis eingebrochen

Mord ist ein Kapitalverbrechen, das nie verjährt. Wird ein mutmaßlicher Mörder Jahre nach der Tat noch überführt, weil etwa die Kriminaltechnik inzwischen neue Analysemethoden an der Hand hat, wäre der Öffentlichkeit nicht vermittelbar, dass der Täter ohne Bestrafung davon kommt - weil die Tat verjährt ist.

Ein Prozess auch Jahrzehnte nach einem Mord: späte Gerechtigkeit. Was sich die Koblenzer Staatsanwaltschaft im Fall der 80-jährigen Gerolsteinerin erlaubt hat, die 34 Jahre nach der angeblichen Tat verhaftet wurde, hat allerdings mit Gerechtigkeit nichts mehr zu tun. Denn die "Beweise", die die Ermittler gegen die Frau und ihren vermeintlichen Komplizen in der Hand zu haben glaubten, waren dürftig und hätten nie für einen Haftbefehl ausreichen dürfen. Es gab weder Leiche noch Geständnis; dafür Ohrenzeugen, die von einer inzwischen Gestorbenen etwas gehört haben wollten. Dies aber reichte Staatsanwaltschaft und Amtsgericht schon aus, eine Seniorin hinter Gitter zu schicken. Erst das Koblenzer Landgericht korrigierte später die Fehlentscheidung und setzte die alte Dame wieder auf freien Fuß. Dass die Staatsanwaltschaft nur drei Monate später klein beigegeben und die Ermittlungen eingestellt hat, zeigt, wie dünn das juristische Eis war, auf dem die Koblenzer Ankläger letztlich eingebrochen sind. Statt die 80-Jährige über die Möglichkeit zu belehren, dass ihr für die einmonatige Untersuchungshaft eine Entschädigung zusteht, hätten sich die Juristen besser bei der Frau entschuldigt. r.seydewitz@volksfreund.de

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