Auf Leben oder Tod

CLEARWATER. Der Fall der Koma-Patientin Terri Schiavo spaltet Amerika: Dürfen die Ärzte die lebenserhaltenden Maßnahmen einstellen? Ja, hat ein Gericht vergangene Woche entschieden. Nein, sagen dagegen die Eltern und kämpfen darum, dass die Nahrungssonde wieder angeschlossen wird.

An die attraktive blonde Frau mit dem strahlenden Lächeln, die Terri Schiavo vor 15 Jahren war, erinnern heute nur noch vergilbte Familienfotos. Terri im Bikini beim Urlaub am Strand. Terri im Hochzeitskleid, Terri bei einem Tanzabend. Das alles ist Vergangenheit. Die Gegenwart: Eine 41-jährige Frau, die in einem Pflegeheim in Clearwater (US-Bundesstaat Florida) dem Tod entgegen dämmert. Seit Freitagmorgen, als ihr ein Priester ein letztes Mal die Kommunion über eine Nahrungssonde verabreichte, wird Terri Schiavo nicht mehr künstlich ernährt. Ein Mediziner entfernte die Schläuche und setzte damit um, was zuvor ein Richter entschieden hatte: Die Koma-Patientin soll in Würde sterben dürfen. Vor 15 Jahren durch einen Herzinfarkt während einer radikalen Hunger-Kur in tiefe Bewusstlosigkeit gefallen, ist Terri Schiavo in den letzten Tagen zum Spielball mächtiger Interessengruppen in den USA geworden. Auf der einen Seite: Ihr Ehemann Michael, der sich darauf beruft, seine Frau habe vor dem Infarkt stets den Wunsch gehabt, nicht künstlich am Leben gehalten zu werden. Mediziner: Terri zeigt nur Reflexe

Er hat liberale Politiker sowie eine Reihe von Medizinern auf seiner Seite, die den Zustand seiner Frau für absolut hoffnungslos halten und darauf verweisen, dass in großen Teilen ihres Gehirns mittlerweile Zellen abgestorben sind. Zwar kann Terri Schiavo die Augen öffnen und auch unartikulierte Geräusche von sich geben, doch dies halten die Ärzte, die den Sterbewunsch unterstützen, für reine Reflexe. Doch Michael Schiavo, der mittlerweile mit einer neuen Partnerin zusammen lebt, sieht sich einer starken Opposition gegenüber: Da sind zum einen die Eltern von Terri, die die Hoffnung auf eine Besserung nie aufgegeben haben und anbieten, ihre Tochter bis zum Lebensende zu pflegen. Unterstützung erhalten sie von konservativen Politikern im Bundesstaat Florida, darunter auch Gouverneur und Präsidenten-Bruder Jeb Bush, aber auch von Teilen des Kongresses in Washington. Zahlreiche Republikaner sowie eine Handvoll Demokraten lehnen Sterbehilfe vehement ab und wollen - nicht zuletzt auch mit Blick auf die Abtreibungsdebatte in den USA - das Recht auf Leben mit allen Mitteln verteidigen. Dazu gehören auch politische Winkelzüge: Denn um ein Entfernen der Nahrungssonden zu verhindern, hatte das Repräsentantenhaus auf Initiative der Republikaner zunächst die Koma-Patientin als Zeugin vorgeladen, um sie am 25. März zu vernehmen. Ein Richter in Florida hatte jedoch diesen Vorstoß umgehend für rechtswidrig erklärt und grünes Licht für das Ende der künstlichen Ernährungszufuhr gegeben. Seitdem ist das Tauziehen um Leben oder Tod von Terri Schiavo eskaliert und zum wichtigsten Thema der amerikanischen Medien geworden. Denn in ein bis zwei Wochen, so die Schätzung von Medizinern, wird nun - ohne künstliche Ernährung - der Tod eintreten. Während Michael Schiavo pausenlos in Interviews darauf hinweist, dass er Terri immer noch liebe und nur ihren Wunsch erfüllen möchte, gibt es längst unverhohlene Morddrohungen gegen ihn und auch Richter George Greer, der am Freitag gegen die "Pro Life"-Bewegung geurteilt hatte. Längst haben Polizisten vor dem Pflegeheim von Terri Schiavo Stellung bezogen. Demonstranten, die sich zu der Sterbenden durchkämpfen und ihr Wasser bringen wollten, wurden wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt verhaftet. David Gibbs, der Anwalt der Eltern, kündigte jetzt neue juristische Initiativen an und forderte erneut Politiker zur Hilfe auf. Sein Appell schien gestern auf fruchtbaren Boden zu fallen: Sogar US-Präsident George W. Bush kündigte an, seinen Urlaub in Texas unterbrechen zu wollen, um ein neues Gesetz zu unterzeichnen. Das sollte noch im Verlauf des Sonntags von einer Parlamentarier-Mehrheit durchgepeitscht werden. Ziel: Mit einer neuen Runde von Prozessen, einen Richter dazu zu bringen, die Nahrungssonden wieder anzuschließen.

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