Auf Spurensuche im Wald

Was genau geschah auf einem Waldweg zwischen Sehlem und Dodenburg (Bernkastel-Wittlich), als vor zwei Wochen ein Belgier dort von einer Polizeikugel getroffen wurde? Spezialisten stellten das Geschehen gestern nach.

Dodenburg/Sehlem. Eine angebrochene Packung Kinderschokolade liegt auf dem Beifahrersitz des schwarzen Kastenwagens mit belgischem Kennzeichen. Auf der Ablage vor der Windschutzscheibe liegt eine durchsichtige Plastiktüte mit einem leeren Joghurtbecher und Orangenschalen. Das Polster zwischen Fahrer- und Beifahrersitz ist an mehreren Stellen zerfetzt, vermutlich von Kugeln aus einer der Polizeiwaffen. Der Fahrer, ein 37-jähriger Belgier, der vor zwei Wochen an dieser Stelle im Wald geparkt und gefrühstückt hatte, ist von einer Kugel aus einer Polizeimaschinenpistole in die Lunge getroffen worden.

An der Fahrertür klebt eine Plastikfolie. Die Scheibe ist zersplittert. Auch in der Windschutzscheibe ist ein Einschussloch zu sehen. An der Heckklappe haben die Spurensicherer der Polizei zwei Stellen markiert, an denen die Schüsse durch das Metall des Wagens und die hintere Scheibe gedrungen sind. Genau wie an der rechten hinteren Alu-Felge. Vier Schüsse haben den Lieferwagen des Belgiers getroffen - drei von hinten, einer von der Seite.

Der Wagen ist von einem Transporter auf den Waldweg direkt neben der Kreisstraße 40, die Sehlem und Dodenburg verbindet, gebracht worden. Seit den Schüssen auf den Belgier steht dessen Auto bei der Polizei in Koblenz. Die Koblenzer Kriminalbeamten ermitteln gegen die beiden Kollegen der Polizeiinspektion Schweich, die die Schüsse abgefeuert haben.

Sie waren unterwegs zu einem Bankraub ins 35 Kilometer entfernte Grosslittgen. Bei einem solchen Bankalarm sei es üblich, dass die Beamten eine Maschinenpistole dabei haben, heißt es. Als sie den schwarzen Kastenwagen im Wald sehen, wollen sie den Fahrer kontrollieren, haben sich aber nach Aussage des Belgiers nicht als Polizisten zu erkennen gegeben. Als der in der Hand des einen eine Maschinenpistole gesehen hat, ist er in Panik davongefahren. Danach sind die Schüsse gefallen - sowohl aus der Maschinenpistole wie aus einer normalen Dienstpistole, wie Kriminalhauptkommissar Jürgen Jonen bestätigt. Jonen leitet die Ermittlungen. Dass eine auswärtige Dienststelle ermittelt ist üblich, in Fällen, an denen Polizisten beteiligt sind. Acht Schusswaffen-Experten des Bundeskriminalamtes aus Wiesbaden vermessen mit zwei Beamten des Landeskriminalamtes und zwei Kripo-Beamten aus Koblenz das Gelände. Die Schüsse werden an diesem Morgen nicht nachgestellt. Die Beamten versuchen herauszufinden, aus welchem Winkel sie abgegeben worden sind. Eine Stereokamera ist neben dem Kastenwagen aufgebaut. Sie soll dreidimensionale Bilder aus dem Blickwinkel des angeschossenen Belgiers liefern. Noch haben sich die beiden Polizisten, die geschossen haben, nicht geäußert. Sie machen weiterhin von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Die Spezialisten vermessen den Waldweg, markieren die Stellen, an denen Patronenhülsen gefunden wurden. 30 Schuss sind im Magazin einer Maschinenpistole. Das Magazin der benutzten Waffe sei nicht ganz leer gewesen, sagt Jonen. Es seien aber "einige" Schüsse abgegeben worden. Ein Schuss ist auf die Fahrerseite gegangen. Der Belgier hat ausgesagt, dass er, nachdem er aus dem Wald gefahren war, seinen Wagen auf der Straße abgewürgt habe. Die beiden Polizisten sind ihm offenbar nachgelaufen, haben noch einmal auf ihn gezielt und durch die Fahrertür geschossen. Von einer Kugel getroffen, ist der Belgier dann die kurvenreiche und schmale Kreisstraße bis ins vier Kilometer entfernte Dodenburg gefahren. Erst dort ist er neben dem Haus des Bürgermeisters zusammengebrochen.

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