Aufgehoben oder aufgeschoben?

Berlin · Die schwarz-rote Koalition erwägt, das Kindergeld erst 2016 zu erhöhen. Eine Verschiebung würde Finanzminister Wolfgang Schäuble rund 300 Millionen Euro Ausgaben ersparen.

Berlin. Zwei Euro haben oder nicht haben, macht schon vier. So lautet eine Redensart. Für die Familien in Deutschland wird sie nun Realität. Die diesjährige Kindergelderhöhung - magere zwei Euro im Monat - wird wahrscheinlich ausfallen. Nächstes Jahr auch. Dafür könnte aber 2016 kräftiger zugeschlagen werden. Von bis zu 35 Euro zusätzlich ist in der Koalition die Rede, sogar von einem großen Kindergeld- und Familienpaket, das alle Wünsche wahr werden lassen soll. Das sind freilich noch ungelegte Ostereier.

Wegen der Inflation muss der steuerliche Kinderfreibetrag regelmäßig angehoben werden. Er gehört zum Existenzminimum. In diesem Jahr steigt er um 72 auf 7080 Euro. Das hat zwar nicht zwangsweise Folgen für das Kindergeld, indirekt aber schon. Denn das Finanzamt prüft von sich aus, was für die Eltern günstiger ist, das Kindergeld oder der Freibetrag.

Konsequenz: Wenn das Kindergeld nicht um zwei Euro angehoben wird, haben nur Besserverdienende einen Vorteil von der Anhebung der Freibeträge. Das wäre sozialpolitisch ungerecht. Hinzu kommt, dass das Kindergeld, derzeit jeweils 184 Euro für die ersten beiden Kinder, seit 2010 nicht angehoben wurde. Durch die Inflation haben die Eltern seitdem also ohnehin rund zehn Euro real weniger in der Tasche.
Dennoch wollen SPD und Union diese Diskussion aushalten. "Lieber langfristig eine richtige Entlastung der Familien, vor allem der Geringverdiener, als jetzt kurzfristig zwei Euro", sagte etwa der familienpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Sönke Rix, unserer Zeitung. Darüber sei man sich mit den Kollegen von der Union einig. Ähnlich SPD-Fraktionsvize Carola Reimann: "Die zwei Euro helfen letztlich niemandem".

In der Koalition wird überlegt, lieber im Jahr 2016 eine richtige Reform zu machen. Nach dem Willen der SPD gehört dazu neben einer kräftigeren Anhebung des Kindergeldes (Rix: "Deutlich im zweistelligen Euro-Bereich") auch eine Anhebung des Kinderzuschlages für Bedürftige um etwa 20 Euro, wie Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sie vorgeschlagen hatte. Außerdem sollen Alleinerziehende besser unterstützt werden. Ein solch umfassendes Programm würde zehn Milliarden Euro kosten, rechnete der Paritätische Wohlfahrtsverband gestern bereits vor. Dass Schäuble 2016 tatsächlich so viel Geld bereitstellen wird, ist eher fraglich. Sicher ist hingegen, dass der vorläufige Verzicht auf die "kleine" Kindergelderhöhung dem Finanzminister schon bei seinem Sparkurs hilft, mit rund 300 Million Euro. wk

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