Aufklärer im Abseits

Mainz · Den Betriebsrat behindert, den Aufsichtsrat falsch oder nicht informiert, Anweisungen missachtet: Hahn-Chef Heinz Rethage, der seit langem Unregelmäßigkeiten am Flughafen auf der Spur ist, muss sich jetzt selbst gegen viele gravierende Vorwürfe wehren.

Mainz. Ein Mann, eine Mission: aufklären, aufräumen. Der Missionär: Heinz Rethage. Am Donnerstag sei er in Karlsruhe gewesen und habe seinen Studenten bei einer Vorlesung vermittelt, wie man Wirtschaftskriminalität aufdeckt, erzählt der Hahn-Geschäftsführer dem Volksfreund.
Johannes Endler, von 2011 bis Ende September 2013 Vorsitzender des Hahn-Aufsichtsrates, wegen Rethage freiwillig aus dem Amt geschieden und jüngst in einem Interview von diesem angegriffen, wundert sich. "Der vom Gesellschafter Land berufene Herr Rethage hatte gar keinen solchen Sonderauftrag, wie er immer gesagt hat." Ein Geschäftsführer sei kein Staatsanwalt.
Vielmehr habe sich Rethage "diese Zuständigkeit selbst genommen" und sich bei seiner Tätigkeit "durchaus ausgezeichnet durch Satzungsverstöße". Endlers Fazit: "Er brauchte keine Aufsicht und keinen Rat."
Sieben Monate später hat das Kontrollgremium neue Mitglieder und einen neuen Vorsitzenden - doch die Probleme mit dem Geschäftsführer sind die gleichen geblieben. Denn Heinz Rethage düpiert auch diese Kontrolleure fortwährend durch Alleingänge.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Aufsichtsratschef Salvatore Barbaro (SPD) angefressen ist. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Rethage gilt als gestört. Die Frage lautet nun, wie sich der Aufsichtsrat insgesamt positioniert und wie sich dann der Gesellschafter verhält, sprich der zuständige Innenminister Roger Lewentz. Im September 2013 hielt er noch zu Rethage.
Wenn Mitte Mai der Aufsichtsrat zu einer Sondersitzung zusammenkommt, muss Heinz Rethage zu etlichen gravierenden Vorwürfen Stellung beziehen. Das werde er auch im Detail tun, sagt er dem Volksfreund. Dann müsse der Aufsichtsrat entscheiden, wie es weitergehe.
Der Hahn-Chef hält alle Anschuldigungen gegen ihn für haltlos.

Hier ein Überblick:

Vorwurf 1: Rethage soll sich unrechtmäßig Informationen beschafft und den Hahn-Betriebsrat bei dessen Arbeit behindert oder gestört haben. Die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach ermittelt diesbezüglich, wie die Behörde auf TV-Anfrage mitteilt.
Vorwurf 2: Rethage soll dem Aufsichtsrat wichtige Unterlagen bewusst vorenthalten haben. So erfuhr das Gremium von einer E-Mail und einem Schreiben in Bezug auf die Firma SSD, die für die Passagierabfertigung zuständig ist, im April erst aus der Zeitung. Der Hahn-Chef hatte die Informationen schon seit Anfang Dezember. Der Anweisung der Kontrolleure, alle Dokumente im Zusammenhang mit der SSD den Wirtschaftsprüfern von Dornbach und Partner vorzulegen, wurde ebenfalls nicht gefolgt. Anfang April stellte sich dann her-aus, dass ein Hahn-Mitarbeiter noch Unterlagen zu Hause aufbewahrt hatte.

Vorwurf 3: Heinz Rethage soll seine E-Mails nachträglich von Hahn-Mitarbeitern manipulieren und als ungelesen dargestellt haben lassen. Dafür gibt es angeblich Zeugen. Weder die Staatsanwaltschaft Koblenz noch die in Bad Kreuznach befassen sich allerdings bislang damit, heißt es auf TV-Anfrage.
Vorwurf 4: Das Verhältnis des Hahn-Geschäftsführers zu Teilen der Belegschaft ist belastet, vor allem das zum Betriebsrat, der Strafanzeige gestellt hatte. Es gibt allerdings auch Befürworter.

Vorwurf 5: Heinz Rethage soll zur Fahrt in den Urlaub in der Hahn-Werkstatt einen Fahrradträger auf seinem Dienstwagen montieren lassen haben.

Vorwurf 6: Rethages Vorgänger Jörg Schumacher, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue ermittelt, bezichtigt seinerseits Rethage der Untreue und hat Strafanzeige gestellt. Der Vorwurf: Wenn der Vertrag des Flughafens mit der Firma SSD über die Passagierabfertigung für den Hahn so nachteilhaft sei, wie Rethage behaupte, hätte er ihn kündigen müssen, um Schaden abzuwenden. Das sei jederzeit mit Sechs-Monats-Frist möglich gewesen. Im Übrigen habe Rethage verschwiegen, dass das komplexe Vertragswerk etliche Punkte enthalte und dem Flughafen unterm Strich bis zu 400 000 Euro Vorteil bringe.
Anerkannt werden allgemein Rethages Bemühungen um eine Neustrukturierung des Flughafens. Ein von ihm entworfener Sanierungsplan, der Kostensenkungen durch Stellenabbau und Steigerungen der Erlöse vorsieht, ist einmütig beschlossen worden.
Dass der Hahn-Chef Unregelmäßigkeiten nachspürt und damit die Staatsanwaltschaft Koblenz alarmiert hat, die wegen des Verdachts der Untreue oder der Beihilfe gegen sieben Beschuldigte ermittelt, wird ebenfalls wohlwollend registriert. "Er dreht jeden Stein um", lobt Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler.
Sein Eifer und seine Rücksichtslosigkeit könnten dem Geschäftsführer aber am Ende zum Verhängnis werden. Alle Parteien im Landtag beklagen den zerstörten Betriebsfrieden und die ständige Unruhe am Flughafen, was maßgeblich Heinz Rethage angelastet wird. FDP-Chef Volker Wissing und CDU-Fraktionsvize Alexander Licht fragen, ob ein Manager, der E-Mails nicht lese, also seine Korrespondenz nicht beherrsche, der richtige Mann für die Geschäftsführung sei.
Schon verlautet in Mainz, auch die Grünen, die Rethage offiziell noch unterstützen, würden bald anders reden. Dann werde es heißen, man unterstütze den Aufklärungs- und Sanierungskurs - unabhängig von Personen.Extra

Tag der offenen Tür: Der Flughafen Hahn lädt am Freitag, 2. Mai, zu einem Tag der offenen Tür in das Passagierterminal des Flughafens ein. Von 12 bis 17 Uhr werden Aktivitäten rund um die Luftfahrt, Familienspaß für Groß und Klein, sowie Unterhaltung und Wissenswertes über den Flughafen geboten. Unter den Besuchern werden attraktive Preise verlost. Der Eintritt ist frei. Höhepunkt der Veranstaltung ist der Besuch der "Tante Ju" - jenes Flugzeugtyps Junkers Ju 52, der in den 1930er Jahren von der Junkers Flugzeugwerk AG in Dessau entwickelt und hergestellt wurde. Heute gibt es nur noch wenige Exemplare dieses dreimotorigen Propellerflugzeuges mit der charakteristischen Wellblechbeplankung. Die Rundflüge mit dem Oldtimer der Lüfte sind weitgehend ausgebucht. Aufgrund großer Nachfrage wurde ein weiterer Flug um 11.30 Uhr ins Programm genommen. Die Flüge sind buchbar unter www.ju52rundflug.de oder telefonisch unter 0700/52525200. Ein Rundflug wird - neben weiteren Preisen - am 2. Mai unter den Besuchern des Tags der offenen Tür verlost - und zwar gegen 15 Uhr. Nur Anwesende können gewinnen. red Weitere Informationen: hahn-airport.de Extra

Heinz Rethage (64) ist im Februar 2013 zum Geschäftsführer des Flughafens Hahn berufen worden. Zuvor war er kaufmännischer Geschäftsführer des Landesbetriebs Mobilität (LBM) in Koblenz. Nebenbei hat er einen Lehrauftrag am Institut für Technologie in Karlsruhe. Sein Hahn-Arbeitsvertrag läuft Ende des Jahres aus. Kürzlich hat Aufsichtsratschef Salvatore Barbaro bekundet, Rethage über das Vertragsende hinaus mit zwei Projekten betrauen zu wollen, weil er hier tiefreichende Kenntnisse habe. Dabei geht es zum einen um den Anschluss des Flughafens an die drei Kilometer entfernte Nato-Pipeline. Bislang wird der Hahn per LKW mit Kerosin beliefert. Zum anderen geht es um die Übertragung von Eigentum an den LBM, um den Hahn von Kosten für die Infrastruktur zu entlasten. Hier muss Übereinstimmung mit der EU-Kommission erzielt werden.fcg

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort