Aufstieg des "kleinen Esels"

Bagdad. Mit der Wahl des Kurdenführers Dschalal Talabani (72) zum neuen Staatspräsidenten hat das irakische Parlament den Weg zur Regierungsbildung im Irak freigemacht.

Im Irak heißt das neue Staatsoberhaupt Jalal Talabani: Mehr als zwei Monate nach den Wahlen von Ende Januar tritt der Parteichef der "Kurdischen Patriotischen Union" und Machthaber im südöstlichen irakischen Kurdistan die Nachfolge von Saddam Hussein an. Das ist die Krönung von seinem über 40-jährigen Einsatz im kurdischen Freiheitskampf. Lange stand er, den schon der legendäre Mustafa Barzani in den sechziger Jahren als Mitarbeiter herangezogen hatte, im Schatten des mächtigen Stammesführers und dessen Söhnen. Der junge Talabani musste sich sogar den kurdischen Spitznamen "Dschas" gefallen lassen, was auf Deutsch "kleiner Esel" bedeutet. Vorübergehend kollaborierte er daher mit den arabischen Machthabern in Bagdad, ob das die Brüder Aref oder der frühe Saddam Hussein waren. Seinen Aufstieg zum wichtigsten Führer der irakischen Kurden erlebte Talabani erst bei ihrem Aufstand in den achtziger Jahren, den Saddam erst durch den verheerenden Giftgaseinsatz von Halabscha bei Kirkuk bis an die türkische Grenze hinauf brechen konnte. In beiden Golf-Kriegen war Talabani dann innerirakischer Hauptverbündeter der Amerikaner gegen das Regime von Bagdad. Dafür wird er jetzt mit dem Präsidentenposten belohnt. Ein Führer der Kurdenminderheit als Staatsoberhaupt - das ist für den Irak und die ganze Region etwas Unfassbares, viel mehr, als ein Südtiroler an der Spitze Italiens oder ein Baske in Madrid. Talabani kann eine völlig neue Ära zur Überwindung der nationalen Gegensätze einleiten oder muss zum Sprengstoff für den irakischen Vielvölkerstaat werden. Auch den iranischen, syrischen und vor allem türkischen Kurden gibt seine Wahl Auftrieb. Ob zum Guten, wird sich erst zeigen müssen. Talabani kann auch neue Unrast im ganzen zerteilten Kurdistan auslösen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort