Aus, aus! Deutschland ist Weltmeister der Herzen

BERLIN. Die Politik lobt das Land für die Weltmeisterschaft und hofft, dass die gute Stimmung weiter anhält. "Ein einmaliges Fußballfest" – so wurde die WM regierungsamtlich gewürdigt.

Wenn etwas zu Ende geht, zieht man Bilanz. Das tat gestern auch die Politik: "Die ganze Welt hat ein einmaliges Fußballfest erlebt", schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel in der "Bild"-Zeitung über die Weltmeisterschaft. "Möge die Stimmung, mit der wir uns als Deutsche der Welt präsentiert haben, weit über diesen Sommer hinausreichen!" Große Worte, große Gesten. Politik und Fußball haben sich kräftig umarmt in den vergangenen vier Wochen. Nach anfänglichem Zögern. Im Laufe des Turniers avancierten Bundespräsident Horst Köhler und vor allem die Kanzlerin zu den ranghöchsten Fans. Die herzliche Umarmung von Jürgen Klinsmann nach dem Spiel um Platz Drei war wohl der Höhepunkt von Merkels vierwöchiger Jubelreise durch die Fußballstadien. Perfekt nutzte sie die überschwappende Woge der Begeisterung für sich selber und ihr Bild in der Öffentlichkeit. "Jürgen Klinsmann, sein Team und seine Spieler haben mit Leidenschaft und Mut unser Land in große Begeisterung versetzt", lobte sie die Nationalelf. Und es klang so, als ob sie dies endlich auch von der Mannschaft der großen Koalition erwarten würde. Zumindest die Trainer Klinsmann und Merkel haben schon einmal etwas gemein: Beide verfügen über Steh- und Durchhaltevermögen, egal, wie stark der Gegenwind ist. Die Deutschen, weltoffen und respektvoll gegenüber ihren Gästen. In der Politik war dies für viele anscheinend eine ungewohnte Erfahrung. Die Warnungen vor großflächigen Gefahrenzonen für Ausländer während der Fußball-WM entpuppten sich jedenfalls als Fehlalarm. "Eine wunderbare WM, tolle Spiele und eine wunderschöne Atmosphäre", lobte die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, das Ereignis. Sie selbst war sieben Mal im Stadion. Aber auch feiern können die Deutschen, wie sie auf den Fanmeilen gezeigt haben: "Das deutsche Team hat gekämpft wie ein Weltmeister. Die Menschen haben gefeiert wie die Weltmeister. Wir haben ein wunderbares Bild von unserem Land in die Welt ausgestrahlt", lautete das Fazit von SPD-Chef Kurt Beck. Der Patriotismus ist allerdings die Entdeckung der WM. Die Welt habe mit Interesse und Sympathie auf Deutschland geschaut. "Und ich glaube, dass sogar wir Deutsche durch dieses Fußballfest einen neuen Blickwinkel auf uns und unser Land bekommen haben", so ein zufriedener Bundespräsident Horst Köhler. Laut Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) müssen die Bürger ihr neues Nationalgefühl jetzt dadurch zum Ausdruck bringen, in dem sie sagen: "Ja, die Reformen sind notwendig, es ist für die Zukunft unseres Landes" (siehe "Fünf Fragen an..."). Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) berichtete, fast alle seiner ausländischen Gäste "haben den unverkrampften Umgang mit den nationalen Symbolen als einen Schritt zur Normalität bezeichnet." Dies sei der beste Beweis dafür, "dass wir uns hier richtig und angemessen verhalten haben". SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sah gestern bereits die Politik in der Verantwortung: Die WM habe ein positives Bild und eine Stimmung vermittelt, die jetzt "politisch unterfüttert" werden müsse, meinte Heil überschwänglich. Im Kanzleramt und in den Parteizentralen hatte man insgeheim darauf gehofft, dass die Welt-meisterschaft nicht nur die Stimmung verbessern, sondern auch auf Dauer Arbeitsplätze schaffen könnte. Von den 50 000 befristeten Jobs - so resümierte inzwischen die Bundesregierung - werden gut die Hälfte nach dem Ende des Turniers bestehen bleiben. So etwas nennt man "kleines Jobwunder".

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