Aus für die Vorratsdatenspeicherung: Die umstrittene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs - Schützen Richter Kriminelle?

Trier · Datenschützer jubeln, Ermittler sind enttäuscht, der Justizminister ist froh: Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Vorratsdatenspeicherung führt zu unterschiedlichen Reaktionen.

Gerade erst ist bekannt geworden, dass erneut massenweise Zugangsdaten zu E-Mail-Konten gestohlen worden sind. Es besteht die Gefahr, dass die Daten dazu benutzt werden, um Straftaten zu begehen - und etwa unter falschen Namen und Kontoverbindungen im Internet einzukaufen. Um Täter zu finden, ist es notwendig, die sogenannte IP-Adresse zurückzuverfolgen. Sie wird allen mit dem Internet verbundenen Computern automatisch zugewiesen und macht sie somit identifizierbar. Falls die Daten gespeichert werden.
Diese Datenspeicherung ist aber in Deutschland seit 2010 verboten. Und die Richter des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg haben die Vorratsdatenspeicherung in Europa gestern gekippt (siehe Bericht oben). Jedenfalls dann, wenn kein konkreter Verdacht besteht, dass durch die Daten eine schwere Straftat aufgedeckt wird. Konsequenz für die Opfer von Datenklau: "Die Tat bleibt unaufgeklärt", sagt der Trierer Oberstaatsanwalt Thomas Albrecht. Er stelle immer wieder fest, dass Opfer von Internetstraftaten mit Unverständnis darauf reagierten, dass die Ermittlungen eingestellt werden mussten, wenn ein Täter nicht ermittelt werden konnte, weil es kaum Ermittlungsmöglichkeiten gebe, sagt Albrecht. Er ist bei der Trierer Staatsanwaltschaft zuständig für Ermittlungen gegen Internetkriminalität.

Kritische Sicht aus Trier

Die Luxemburger Richter hätten mit ihrer Entscheidung die persönlichen Daten vor dem staatlichen Zugriff schützen wollen, sagt Albrecht. Doch gleichzeitig werde durch die Entscheidung der Schutz von Rechtsgütern "wie etwa der Schutz unserer Kinder vor sexuellen Übergriffen" fast aufgegeben. "Wenn es jedem ermöglicht wird, sich anonym und unerkannt im Internet zu bewegen, wird es eine zunehmende Verlockung für viele darstellen, dies auch für kriminelle Zwecke zu nutzen", meint der Oberstaatsanwalt.

Sein oberster Dienstherr, der rheinland-pfälzische Justizminister Jochen Hartloff, begrüßt hingegen die Luxemburger Entscheidung. Die vom EuGH gekippte Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung sei "schlichtweg unverhältnismäßig" gewesen, sagt Hartloff dem TV. Die Richter hätten deutlich gemacht, dass die bisherige Regelung keine Kontrolle der Datenauswertung etwa durch ein Gericht vorgesehen habe.

Hartloff begrüßt zudem, dass der Gerichtshof deutlich mache, dass bei einer Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung dafür gesorgt werden muss, dass die gespeicherten Daten wirksam vor Missbrauch und vor unberechtigtem Zugang und vor unberechtigter Nutzung geschützt werden.

Der Landesdatenschutzbeauftragte Edgar Wagner sieht absolut keinen Sinn in der Vorratsdatenspeicherung. "Diese Überwachungsmaßnahme schadet mehr, als sie nutzt." In Zeiten "einer totalen und umfassenden Überwachung unserer Internetkommunikation durch die Geheimdienste" müsse von den Staatsorganen "ein deutliches Zeichen kommen, dass diese Entwicklung so nicht weitergehen kann". Eine Vorratsdatenspeicherung würde das Vertrauen der Bürger in die Telekommunikation weiter erschüttern, sagt Wagner. Mehr zum Thema:

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