Ausgebrannt am Pflegebett

Die Anforderungen an Pflegekräfte haben sich geändert: Pflegen ist mehr als waschen, cremen und verbinden. Doch trotz der zusätzlichen Arbeit wird das Personal in vielen Heimen reduziert. Viele Pfleger fühlen sich überlastet.

Trier. Es klingt wie ein verzweifelter Hilferuf: "Ist es Normal, dass für 34 bis 40 Bewohner im Frühdienst nur noch die Hälfte der Pflegekräfte zuständig ist? Es ist absolut keine Zeit für ein ruhiges Gespräch mit den Bewohnern - nur Stress und jeder versucht irgendwie seine Arbeit zu schaffen." Altenpfleger Tom G. bringt das auf den Punkt, was vielen seiner Kollegen immer mehr zu schaffen macht: Für das, was den Beruf des Altenpflegers ausmachen soll - aus Überzeugung Menschen zu helfen - ist kaum noch Zeit. Liest man die Einträge in einschlägigen Foren, beschäftigt sich fast jeder zweite Eintrag mit Überlastung und Burn Out, also dem körperlichen Ausgebranntsein. "Die Anforderungen an den Beruf haben sich geändert", sagt Birgit Alt-Resch. Sie leitet das Pflegeheim St. Irminen in Trier.

Neue Anforderungen durch Demenzkranke



Als Beispiel nennt sie den Umgang mit Demenzkranken. Diese bräuchten eine andere, oft zeitintensivere Zuwendung als etwa der stark Pflegebedürftige, der sich ohne Hilfe anziehen, waschen oder essen kann. Demenzkranke müssen zumeist betreut werden, etwa beim Essen. Doch aufgrund der in fast allen Heimen bestehenden Personalknappheit stehen die Pflegekräfte unter Druck, jede zeitliche Verzögerung im Ablauf geht zulasten anderer Bewohner. Konsequenz: "Das Gespräch mit den Bewohnern und die eigentliche Betreuung kommen zu kurz", sagt Alt-Resch. Hinzu kommt noch die Bürokratie. Eine Pflegerin schildert den Alltag auf einer Station: "Bei einem Wohnbereich mit 60 richtig kranken und pflegebedürftigen Bewohnern kommen in einer Schicht im Schnitt zehn Eintragungen für die Dokumentation, Lagerungsprotokoll, Flüssigkeitsbilanz, Ernährungsprotokoll zusammen. Das bedeutet beispielsweise nur für den Nachtdienst 600 Eintragungen." Sie schildert damit genau den Spagat, den viele Pflegekräfte leisten müssen: Eine qualitativ hochwertige Pflege, zu der eben auch die möglichst genaue Dokumentation zählt und der Anspruch auf eine an den Bedürfnissen der Bewohner ausgerichtete Pflege. "Die notwendige Qualität geht zulasten der Mitarbeiter", sagt Heimleiterin Alt-Resch. Die Rahmenbedingungen machten es immer schwerer, die erforderliche Qualität zu halten. "Rahmenbedingungen" sind für sie die wirtschaftlichen Zwänge, in denen sich die Pflegeeinrichtungen befinden. Die Pflegesätze der Krankenkassen decken nicht die Ausgaben der Heime, doch die Einnahmen sind begrenzt. Ein Heimplatz darf nicht zu teuer sein für die Bewohner. Im Schnitt kostet die Pflege in einem Heim für einen schwer Pflegebedürftigen 3000 Euro im Monat, knapp die Hälfte davon muss der Bewohner selbst tragen. Auch die Kassen stehen unter Sparzwang. Sie wollen ihre Ausgaben und damit die Beiträge möglichst niedrig halten. Das führt dazu, dass bei den Verhandlungen über die Vergütungen an die Heime immer stärker um jeden Cent gefeilscht wird. "Trotzdem müssen wir die Qualität halten und steigern", kritisiert Alt-Resch.

Sie wünscht sich, dass die drei Trierer Politiker (CDU-Landtagsabgeordneter Bertrand Adams und Stadtratsmitglieder Hans-Alwin Schmitz (UBM) und Bernd Michels (CDU)) bei ihrem heutigen Besuch in St. Irminen anlässlich des Aktionstags der katholischen Pflegeeinrichtungen "Jetzt schlägt´s 13" in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Hessen einen Eindruck davon bekommen, was Pflege heute bedeutet. Den Politikern soll keine Show geboten werden, verspricht Alt-Resch. Sie sollen den realistischen Alltag der Mitarbeiter des Heimes und der Bewohner kennenlernen. "Vielleicht setzt dann bei ihnen ein Umdenken ein und vielleicht bringen sie dann dem Pflegeberuf wieder mehr Wertschätzung entgegen", hofft die Heimleiterin.

Interessante Informationen rund um das Thema finden Sie auch im Internet unter: www.pflegekritik.de.

Dort kann gezielt nach rund 4300 Pflegeeinrichtungen recherchiert werden. Eine Bewertungsskala ermöglicht die individuelle Beurteilung nach ausgewählten Kriterien.

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