Autofahrer haben Spritpreise in der Hand

Trier · Schluss mit dem Ärger über hohe Spritpreise? Künftig soll ein Blick aufs Handy genügen, um die nächste billigere Tankstelle zu finden. Doch dass dadurch die Preise an den Zapfsäulen purzeln, daran glaubt kaum jemand.

Trier. Begeisterung klingt anders. "Sie glauben doch nicht, dass der Sprit dadurch nur einen Cent billiger wird", sagt Harald Simmer. Ihm gehört eine Aral-Tankstelle im Trierer Stadtteil Ruwer.
Genau wie die anderen von unserer Zeitung befragten Tankstellenbesitzer aus der Region hält er gar nichts von der neuen Meldestelle für Kraftstoffpreise.
Kritik: Meldestelle kostet nur


Damit würden nur gut bezahlte Arbeitsplätze für Beamte geschaffen, meint Simmer. Daher koste die neue Meldestelle nur Geld. Auch die Schweicher Tankstellenbetreiberin Gabi Spieles aus Schweich reagiert sauer, wenn sie nach der neuen Stelle, die offiziell Markttransparenzstelle für Kraftstoff heißt, gefragt wird. "Das bringt doch nichts." Bereits jetzt könne doch jeder schon die Preise im Internet vergleichen. Und an der Preispolitik der Ölkonzerne ändere die neue Stelle auch nichts, sagt die Betreiberin einer Aral-Tankstelle.
Es werde wohl weiter so sein, dass - wie diese Woche geschehen - zwischen ihrer und einer sieben Kilometer entfernten Tankstelle ein Preisunterschied von sieben Cent liege. Weil die Konzerne den Tankstellen vor Ort genau vorgäben, was sie zu verlangen haben. Sie selbst habe gar keinen Einfluss auf die Preise an ihren Zapfsäulen. Die würden automatisch von der Konzernzentrale gesteuert, sagt Spieles. Und egal wie hoch die Spritpreise seien, sie selbst verdiene nicht mehr als einen Cent pro Liter. Daran werde sich auch durch die neue Meldestelle nichts ändern. Tankstellenbesitzer wie Harald Simmer müssen die Preisänderungen nicht eigenhändig weitergeben. Das geschehe automatisch über den Konzern, sagt Simmer.
Anders sieht es bei Besitzern sogenannter freier Tankstellen aus, die nicht zu einem bestimmten Mineralölkonzern gehören. Viele von ihnen müssen laut Bundesverband der freien Tankstellen die Daten selbst übermitteln, was natürlich mit einem gewissen Aufwand verbunden sei. Und mit Kosten. Ein Betreiber einer freien Tankstelle spricht von 450 Euro pro Monat.
Peter Jan Schlüschen betreibt zwölf Shell-Tankstellen in der Region. Auch er hält nichts von der Meldestelle. Schlüschen vermutet, dass die Spritpreise dadurch eher steigen werden, und verweist auf Österreich. Dort gilt seit April 2011 die Regel, dass Preiserhöhungen nur einmal am Tag, nämlich genau um zwölf Uhr mittags, zulässig sind.
Das Beispiel Österreich


Außerdem gibt es eine vom Wirtschaftsministerium in Wien finanzierte Internet-Datenbank, die Autofahrern helfen soll, beim Tanken Geld zu sparen. Doch anstatt billiger zu werden, sei der Sprit teurer geworden, sagt Schlüschen. "Die Markttransparenzstelle ist die Antwort der Bundesregierung auf die krassen Preisschwankungen für Kraftstoff innerhalb eines Tages", sagt Christian Gollner von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Wer möglichst günstig tanken wolle, müsse ähnlich wie ein Aktienhändler an der Börse den richtigen Kaufzeitpunkt finden. "Mit der Markttransparenzstelle bekommen Verbraucher für ihre Kaufentscheidung im Preischaos jetzt ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie sich zumindest einen schnellen Überblick verschaffen können." Dadurch könnten Verbraucher Druck auf die Mineralölkonzerne ausüben, die Preise zu senken, meint auch Otmar Lell, Verkehrsexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.
Extra

Alle Tankstellen in Deutschland - Luxemburg ist von der ganzen Sache nicht betroffen - sind nach einem im vergangenen Dezember verabschiedeten Gesetz verpflichtet, Preisänderungen bei Super und Diesel "in Echtzeit", wie es heißt, an die Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt zu melden. Von dort werden die Daten an Anbieter von Verbraucher-Informationsdiensten im Internet oder für Smart-Phones und auch für Navigationsgeräte weitergegeben. Noch befindet sich das System allerdings in einer Testphase. Erst in einigen Wochen sollen die Daten im Internet abrufbar sein. Damit sollen Autofahrer jederzeit über die aktuellen Kraftstoffpreise informiert werden und die günstigste Tankstelle in der Umgebung finden können, heißt es beim Bundeskartellamt. Das stärke den Wettbewerb. Alle mehr als 13 000 Tankstellen in Deutschland mussten zuvor dem Kartellamt ihre genauen Standorte, die Öffnungszeiten und die verkauften Spritsorten melden. Die Meldestelle selbst werde keine Informationen für die Bürger anbieten, teilt das Kartellamt mit. Sie sammle nur die Daten der Konzerne und Tankstellenbetreiber und stelle diese dann Dienstleistern zur Verfügung. wie

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