"Autofahrer müssen umdenken"

Die Fahrradsaison hat begonnen. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) wirbt deshalb im Gespräch mit unserer Zeitung für einen häufigeren Umstieg auf den Drahtesel. Zugleich ermahnt er die Radfahrer, sich mehr an die Verkehrsregeln zu halten - und einen Fahrradhelm zu tragen. Mit Tiefensee sprach TV-Korrespondent Hagen Strauß.

Herr Minister, wie oft nutzen Sie eigentlich noch das Fahrrad?

Tiefensee: Privat steige ich immer wieder gerne aufs Rad. Dienstlich ist es nicht so oft möglich, wie ich es mir wünsche. Mein Dienstwagen ist auch mein Arbeitszimmer. Ein Fahrrad ist dafür denkbar ungeeignet.

Aber die Strecke vom Ministerium zum Bundestag beträgt 1,7 Kilometer. Da könnten doch einige Ihrer Beamten auf den Dienstwagen verzichten?

Tiefensee: Das tun sie auch. Dafür haben wir im Ministerium Dienstfahrräder, die eifrig genutzt werden. Außerdem unterstütze ich die Aktion "Mit dem Rad zur Arbeit".

Was unternimmt der Bund, um mehr Menschen zum Umstieg vom Auto aufs Rad zu bewegen?

Tiefensee: Wir müssen das Radfahren attraktiv machen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wer über Jahre ins Auto steigt, muss jetzt umdenken. Da setzen wir an. Wir investieren pro Jahr rund 100 Millionen Euro in den Radverkehr. Der Löwenanteil geht in den Neu- und Ausbau von Radwegen an Bundesstraßen. Gute und sichere Radwege sind wichtig. Mit drei Millionen Euro im Jahr fördern wir außerdem Modellprojekte, Fortbildungen und Kampagnen für das Radfahren. Wir sprechen Berufstätige, Schüler und Jugendliche an.

Wird in den Kommunen, wo das Thema ja eigentlich angesiedelt ist, genug getan?

Tiefensee: Alle haben inzwischen gelernt, dass Fahrradfahren zu einem zentralen Faktor der Verkehrspolitik der Zukunft gehört. Der Bund geht da mit konkreten Maßnahmen an die Spitze: Wir starten diese Woche den mit zehn Millionen Euro geförderten Modellversuch zu öffentlichen Fahrradverleihsystemen. Ziel ist es, die beiden umweltfreundlichsten Verkehrsmittel - das Fahrrad und den öffentlichen Personennahverkehr - besser zu vernetzen. Werden sogenannte Pedelecs berücksichtigt - das sind Fahrräder mit elektrischer Trethilfe - stehen weitere 2,7 Millionen Euro bereit. Ich rufe alle Kommunen in Deutschland auf, sich zu beteiligen.

Heißt mehr Fahrradfahrer gleich besseres Klima?

Tiefensee: Und wie! Verlagern Sie in den Innenstädten 30 Prozent der Autofahrten im Kurzstreckenbereich bis sechs Kilometer auf das Fahrrad, dann sparen Sie pro Jahr 7,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Das ist unser nächstes Ziel.

Es gibt aber auch das Klima im Straßenverkehr. Regeln werden auch von Radfahrern immer häufiger missachtet, und die Aggressivität wächst. Was lässt sich dagegen tun?

Tiefensee: Radfahrer müssen sich genauso an die Verkehrsregeln halten wie alle anderen. Und Autofahrer müssen Rücksicht nehmen auf Fahrradfahrer. In der Verkehrssicherheitsarbeit werben wir für rücksichtsvolles und umsichtiges Fahren von allen.

Was denken Sie: Muss die Verkehrserziehung in Kindergärten und Grundschulen verbessert werden?

Tiefensee: Für die Verkehrserziehung an Grundschulen sind die jeweiligen Bundesländer zuständig. Wir unterstützen verschiedene Projekte wie beispielsweise das Programm "Kind und Verkehr", das sich an Kinder im letzten Kindergartenjahr richtet, um sie auf ihre Teilnahme am Straßenverkehr vorzubereiten. Wir können nicht früh genug den Grundstein für sicheres Verhalten im Straßenverkehr legen. Außerdem fördern wir das Projekt "FahrRad, aber sicher", das alle Fahrradfahrer, Kinder wie Senioren, anspricht.

Wie halten Sie es als Verkehrsminister mit dem Thema Helmpflicht?

Tiefensee: Keine Frage, ein Fahrradhelm kann schwere Unfallfolgen verhindern oder zumindest mindern. Mein Ministerium empfiehlt, nie ohne Helm aufs Rad zu steigen. Eltern sollten da mit gutem Beispiel vorangehen. Eine gesetzliche Verhaltenspflicht bringt uns nicht weiter. Viele Radfahrer brächten dafür kein Verständnis auf und ließen dann das Fahrrad lieber stehen. Wir wollen mit vielen guten Argumenten überzeugen und setzen auch künftig auf Vernunft und Freiwilligkeit.

zur person

Wolfgang Tiefensee ist seit 2005 Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zuvor war der 54-jährige Sozialdemokrat Oberbürgermeister von Leipzig. Tiefensee ist studierter Elektro-Ingenieur.

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