Balance gehalten

Neun lange Jahre haben sie sich gegenseitig ausgehalten, Heinz Lukas-Kindermann und die Trierer. Das war nicht immer einfach - für beide Seiten. Der Intendant wird manches Mal an der Kleinmütigkeit seiner Umgebung verzweifelt sein, und an dem, was er als Erbsenzählerei empfand, gemessen an seinen großen Ideen.

Und die, die mit ihm auskommen mussten, dürften ab und zu mit den Zähnen geknirscht haben ob Kindermanns Sturheit und dem, was sie als Ignoranz empfanden gegenüber gebräuchlichen Umgangsformen. Strich drunter: Profitiert haben letztlich alle. Der Intendant, weil er trotz Einschränkungen viele seiner Träume realisieren konnte. Das Theater und seine Künstler, weil - um den Preis mancher Überforderung - Leistungsgrenzen nach oben ausgelotet wurden. Die Stadt, weil Kindermann ihr mit den Antikenfestspielen ein Profil-Element hinterlässt, das es ohne seine Dickköpfigkeit nie gegeben hätte. Und, nicht zuletzt, die Zuschauer aus der ganzen Region, die ein Theater erlebt haben, das auf Qualität und Originalität setzte, ohne sein Publikum dabei zu verprellen. Die Theaterlandschaft hierzulande zeigt, dass gerade Letzteres selten gelingt. Die Balance zwischen Anspruch und Unterhaltung, zwischen Kulturauftrag und Massenwirksamkeit ist auch ein Schlüssel für die Arbeit des neuen Intendanten. Es ist Heinz Lukas-Kindermann schwer gefallen, loszulassen, vor allem sein Lieblingskind, die Festspiele. Und trotzdem war ein klarer Schnitt nötig, nicht nur, weil die Geschichte mit dem "Diener zweier Herren" schon bei Goldoni zum Chaos führte. Theater- und Festspielrepertoire brauchen neue Akzente, wenn sie die Publikumsschichten unter Vierzig nicht verlieren wollen. Qualitätsvolle Gediegenheit allein reicht da nicht. Mal sehen, wie weit Gerhard Webers mit dicken Pinselstrichen angekündigte "Theater-Lust" im harten Alltagsgeschäft trägt. Das Haus kann ein bisschen Atemholen brauchen, aber Stillstand wird es bei dem Neuen sicher nicht geben. Was den Stil angeht, sind die Kontraste zwischen Vorgänger und Nachfolger auf den ersten Blick enorm. Was die Inhalte angeht, sei dem Trierer Publikum empfohlen, was Basis jeglichen Theatermachens ist: Neugier. d.lintz@volksfreund.de

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