Bald Schluss mit dem Ladenschluss?

BERLIN. Der Einkauf rund um die Uhr scheint in greifbare Nähe zu rücken. Nach Angaben aus Länderkreisen wird sich der Bundesrat auf seiner Sitzung am heutigen Freitag in Berlin einstimmig für einen Gesetzesantrag Baden-Württembergs aussprechen, der den Ländern eigene Regelungen beim Ladenschluss gestattet.

Nachdem sich auch anfängliche Wackelkandidaten wie Brandenburg, Bremen und Rheinland-Pfalz in die parteiübergreifende Allianz eingereiht hätten, stehe einem geschlossenen Votum nichts mehr im Wege, hieß es gegenüber unserer Zeitung. Damit ist die grenzenlose Shopping-Freiheit allerdings noch lange nicht Wirklichkeit. Der Neuregelung müsste nämlich auch der Bundestag zustimmen. Aber bei den Sozialdemokraten kann man dem Vorstoß kaum etwas abgewinnen. "Es gibt derzeit keinen Handlungsbedarf, die Ladenöffnungszeiten erneut zu ändern", befindet Klaus Brandner. Der SPD-Arbeitsmarktexperte verweist dazu auf die erst vor einem Jahr beschlossenen Lockerungen. Seit Juni 2003 dürfen Geschäfte bundeseinheitlich auch am Samstag bis 20 Uhr öffnen. Bereits Mitte der 90er Jahre wurden die Ladenöffnungszeiten von Montag bis Freitag auf 20 Uhr verlängert. Vielen Genossen gehen schon diese Maßnahmen viel zu weit. Hinzu kommt, dass auch die Gewerkschaften ein Aus für den Ladenschluss strikt ablehnen. Die Länder berufen sich unterdessen auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juni dieses Jahres, wonach die geltende Regelung zwar fortbestehen kann, eine grundlegende Neukonzeption des Ladenschlusses aber nicht mehr Sache des Bundes sein darf. Würde sich der Bundesrat durchsetzen, müsste das allgemein geltende Ladenschlussgesetz um eine Öffnungsklausel ergänzt werden, die das Bundesrecht außer Kraft setzt, wenn ein Bundesland abweichende Öffnungszeiten einführen will. Nach Ansicht Brandners ist der Richterspruch trotzdem kein Persilschein für die völlige Freigabe des Ladenschlusses. "Eine konditionslose Übertragung an die Länder kann zu einem Flickenteppich unterschiedlichster Öffnungsmöglichkeiten führen", warnt der SPD-Politiker. Presseberichten zu Folge wollen zehn der 16 Bundesländer die Ladenöffnungszeiten ausweiten. Berlin möchte sogar am heiligen Sonntag rütteln. Hier müsse man noch klären, wie viele Sonntage pro Jahr sinnvoll seien, heißt es aus dem Senat der Hauptstadt. Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz planen dagegen vorerst keine Veränderungen. Beide wollen sich aber die Option dafür offen halten. Brandner gibt indes zu bedenken, dass schon die jetzigen Öffnungszeiten bis 20 Uhr "nicht annähernd genutzt" würden. Die Grünen stehen dem Vorstoß im Bundesrat weniger reserviert gegenüber. "Ich würde es begrüßen, wenn die Länder die Kompetenz für die Öffnungszeiten bekämen", sagt Fraktionschefin Krista Sager. Eine endgültige Entscheidung obliege aber der Föderalismuskommission. In dem Gremium verhandeln Vertreter von Bundestag und Bundesrat über eine Neuverteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Beobachter gehen davon aus, dass Rot-Grün versucht sein könnte, die Öffnungsklausel beim Ladenschluss als Verhandlungsmasse für eine "Paketlösung" zu nutzen. Dabei hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Wilhelm Schmidt, zu Wochenbeginn noch ein unkompliziertes Verfahren in Aussicht gestellt: Falls eine große Mehrheit im Bundesrat zu Stande käme, sei das für seine Fraktion "nicht ganz unbedeutend". Bundesratsvertreter der Union setzten jedenfalls auf die normative Kraft des Faktischen: "Gegen alle 16 Länder lässt sich schwerlich ankommen."

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