Barbarische Strafen ächten

KATSINA/FRANKFURT. Die Aufhebung des Todesurteils gegen eine Nigerianerin wirft ein Schlaglicht auf die in Teilen der islamischen Welt praktizierte Todesstrafe durch Steinigung.

Amina Lawal kann aufatmen. Die 32-jährige Mutter von drei Kindern ist dem Tod nur knapp entronnen. Ein islamisches Berufungsgericht im nigerianischen Katsina sprach die zur Hinrichtung durch Steinigung Verurteilte gestern frei. Sie hatte zwei Jahre nach ihrer Scheidung ein Kind bekommen. Die Richter der Erstinstanz werteten dies als Ehebruch. In zwölf der 36 nigerianischen Bundesstaaten steht darauf nach der Scharia, dem islamischen Rechtssystem, der Tod durch Steinigung. Nur ein Verfahrensfehler rettete Lawal das Leben. Da sie im ersten Prozess keinen Anwalt hatte, urteilten die Richter nun, sie habe sich nicht ausreichend verteidigen können. Für Amina Lawal hatten sich in den vergangenen Monaten neben Menschenrechtsorganisationen auch zahlreiche Politiker wie Außenminister Joschka Fischer stark gemacht. Für Schlagzeilen sorgte der Fall vor der Miss-World-Wahl 2002, die in Nigeria stattfinden sollte, dann aber wegen blutiger Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems nach London verlegt werden musste. Menschenrechtler sehen im Fall Lawal nur die Spitze des Eisbergs. "Wir beobachten weltweit eine Zunahme der Steinigung und der Anwendung der Scharia", stellt Martin Lessenthin, Sprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt, fest. Standen bisher in Staaten mit islamischer Rechtsprechung vor allem Zwangsamputation oder Auspeitschen auf der Tagesordnung, wird jetzt in mindestens acht Ländern die Steinigung zumindest in einigen Landesteilen angewandt, etwa im Iran, im Sudan und Saudi-Arabien sowie neuerdings auch in Indonesien und Malaysia. In den nordnigerianischen Staaten nimmt die Zahl der zum Tod durch Steinigung Verurteilten zu. Lawals Anwälte sprechen von zehn weiteren Fällen. Die IGFM kritisiert, die Regierung von Präsident Obasanjo bleibe trotz gegenteiliger Äußerungen untätig. Mit einer groß angelegten Kampagne ( www.steinigung.org) will die IGFM erreichen, dass die Steinigung international als barbarisch geächtet wird. 250 000 Unterschriften hat die IGFM zusammen. Sie werden am Tag der Menschenrechte im Dezember der Bundesregierung übergeben. Zudem zählt die IGFM auf die gemäßigten Muslime. Zwei Verbände in Deutschland haben sich bereits gegen die Steinigung ausgesprochen.

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