Bauern-Marketing ausgebremst

Aufregende Tage für Landwirte: Die 380 000 Bauern müssen nicht länger zwangsweise für die Werbung der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) zahlen, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Doch die Milchbauern treibt derzeit eher der erneute Preisverfall um.

Karlsruhe/Trier. Nach 40 Jahren steht die zentrale Werbung für die deutschen Bauern vor dem Aus. Landwirte müssen ihre Produkte nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts künftig entweder privat vermarkten oder einen neuen Weg für die gemeinsame Werbung finden. Denn laut Gericht sind die Sonderabgaben, mit denen die Lebensmittelbetriebe und Landwirte bislang den Absatzförderungsfonds der Land- und Ernährungswirtschaft finanzierten, verfassungswidrig.

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Mit den jährlich rund 88 Millionen Euro wird die Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA/Bonn) finanziert. Die Abgaben betragen durchschnittlich 0,4 Prozent des jeweiligen Warenwerts. Während viele Bauern darüber jubeln, bedauern Bundesregierung und Bauernverband die Entscheidung. Unterdessen sieht etwa die Vereinigung "Unternehmen Milch" die Chance zum Neuanfang: "Milcherzeuger und Molkereiwirtschaft müssen sich an einen Tisch setzen und ausloten, wie ein künftiges Gemeinschaftsmarketing aussehen könnte", fordert Fritz Jäger, Sprecher von "Unternehmen Milch". Bei der Milch-Union-Hocheifel wurde man vom Urteil des Gerichts "überrascht", sagt Muh-Pressesprecher Wolfgang Rommel. Die Molkerei zahlt wie die Bauern eine an die Milchmenge gekoppelte Abgabe.

Beim Milchpreis sieht sich die Muh derzeit noch nicht durch die Aktionen der Discounter unter Druck. "Unsere Verträge mit dem Handel laufen bis zum 30. April", erklärt Wolfgang Rommel. Schwierig sei die Lage aber wegen der momentan schlechten Exportaussichten. Die Verträge für Butter - davon ist die Muh nicht betroffen - werden zwischen Handel und Molkereien kurzfristiger festgelegt. Dies bekommen andere Molkereien gerade zu spüren. Während die Muh und die Hochwald-Molkerei in Thalfang derzeit noch rund 30 Cent für den Liter Milch an ihre Lieferanten zahlen, sieht es in Nord- und Ostdeutschland anders aus. 25 Cent zahlt die größte deutsche Molkerei, Nordmilch. Entsprechend formiert sich beim Bund der Deutschen Milchvie-Halter (BDM) Widerstand. "Wir sind bei ständig fallenden Milchpreisen zu neuen Aktionen bereit, auch zum neuen Milchlieferstopp", sagt BDM-Landesvorsitzender Oliver Grommes (Auw/Eifelkreis). Derweil soll das Ermittlungsverfahren gegen 183 Landwirte, die die Molkereien Hochwald und Muh Anfang Juni blockiert haben, in wenigen Tagen abgeschlossen sein, wie der Trie-rer Leitende Oberstaatsanwalt Horst Roos dem TV sagte.

Meinung

Keine Zwangsabgabe

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Zwangsabgabe für die Bewerbung von Agrarprodukten einzustampfen und die Bauern zu entlasten, ist konsequent. Zugleich ist die Urteilsbegründung eine schallende Ohrfeige für den Gesetzgeber und die mächtigen Agrarlobbyisten. Viele Experten haben in der Vergangenheit kritisiert: Die von der CMA betriebene Werbung für Milch oder Brot zeigt keinerlei Wirkung für den Umsatz der Bauern, weil sie zu allgemein gehalten und eben nicht an bestimmte Anbieter gekoppelt ist. Sie kostet die Landwirte lediglich Geld. Die CMA ist ja auch den Erfolgsnachweis ihrer zwangsfinanzierten Kampagnen weitgehend schuldig geblieben. Kein Wunder. Das Gerichtsurteil wirft eine weitere Frage auf: Was ist denn mit den anderen Unternehmern? Viele ärgern sich beispielsweise nach wie vor über eine Zwangsabgabe durch Zwangsmitgliedschaft in den deutschen Industrie- und Handelskammern, weil sie aus ihrer Sicht keine wahrnehmbaren Leistungen erhalten. Auch wenn in der Vergangenheit mehrere Klagen gegen die Pflicht-Zugehörigkeit gescheitert sind, nach dem gestrigen Richterspruch könnte es sein, dass verfassungsrechtlich und europarechtlich die Karten mit Blick auf die Kammern neu gemischt werden. nachrichten.red@volksfreund.de

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