Bausparkassen fühlen sich im Recht: Alte Verträge rentieren sich für die Anbieter nicht mehr

Trier · Obwohl viele Bausparkassen derzeit massenweise alte Verträge kündigen, liegt Bausparen offenbar weiter im Trend. Allein die Landesbausparkasse, die zu den Sparkassen gehört, meldet für 2015 in Rheinland-Pfalz über 60 000 Neuabschlüsse.

Trier. "Ziel eines Bausparvertrages ist ein zinssicheres Darlehen für die eigenen vier Wände, nicht die Kapitalanlage." Es kommt nicht von ungefähr, dass die Landesbausparkasse (LBS) auf ihrer Internetseite ausdrücklich daraufhinweist und erklärt, wie das System Bausparen funktioniert.

Sparer ermöglichten anderen Bauwilligen ein Darlehen. "Jeder Bausparer ist Mitglied einer Zweckspargemeinschaft. Während die Sparer das für eine sichere Finanzierung notwendige Eigenkapital ansammeln, können diese Mittel als Darlehen an die ausgegeben werden, deren Vertrag bereits zugeteilt ist", heißt es bei der LBS. Doch angesichts der derzeit niedrigen Zinsen sehen viele Bausparer in ihren alten Verträgen eine sichere Geldanlage.Altverträge gut für die Kunden

Wer das angesparte Geld samt vereinbartem Darlehen nicht benötigt, lässt es auf dem Bausparkonto, wo es angesichts der damals vereinbarten Zinsen von bis zu fünf Prozent hohe Rendite bringt. Bei neuen Verträgen liegen die Zinsen bei etwa 0,25 Prozent. Wegen der Niedrigzinsen am Kapitalmarkt sind die Altverträge ein schlechtes Geschäft für Bausparkassen. Sie bekommen selbst nur sehr niedrige Zinsen für das Kapital ihrer Bausparer.
"Unter normalen Kapitalmarktverhältnissen haben die Bausparkassen das reine Sparen oft toleriert", sagt Ulrich Lehrbach, Sprecher der LBS Rheinland-Pfalz. Er kann Kunden verstehen: "Da Alternativen fehlen, gibt es Kunden, die so lange wie möglich von ihren alten Verträgen profitieren möchten." Das widerspreche jedoch dem Zweck des Bausparens, "Menschen Wohneigentum zu ermöglichen".

Daher kündigen die LBS und andere Bausparkassen wie die BHW massenweise Kunden, die Altverträge haben. Über 200 000 Sparer in Deutschland sind betroffen. Die Kassen berufen sich auf den Paragrafen 489 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Darin heißt es: "Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen." Die Kassen sehen sich als Darlehensnehmer, weil die Bausparer ihnen ja Geld leihen würden.

Verbraucherschützer sehen das anders. Die Kündigungsrechte, auf die sich die Kassen berufen, seien so nicht vereinbart worden. Auch der Saarburger Anwalt Gerd Müller zweifelt daran, dass die Bausparkassen mit dieser Begründung Verträge kündigen können. Er vertritt eine Frau, die gegen die Bausparkasse BHW klagt, die den 2003 abgeschlossenen Vertrag vor einem Jahr gekündigt hat. Dies sei wohl aus "betriebswirtschaftlichen Gründen bewusst geschehen", um nicht weiter einen "ungünstigen Zins" zahlen zu müssen, begründet Müller die Klage. Nur die Bausparer - nicht aber die Kassen - hätten das Recht, auf das Darlehen zu verzichten, sagt der Anwalt. In der ersten Instanz ist seine Klage vor dem Bonner Landgericht abgewiesen worden. So wie die meisten der bundesweit verhandelten Klagen. Über 1000 Bausparer sind vor Gericht gezogen. Nur die wenigsten haben recht bekommen. Die meisten Gerichte urteilten bausparkassenfreundlich, sagt Müller.

Er geht nun in Berufung. Der Anwalt setzt auf ein Urteil des Stuttgarter Oberlandesgerichts: Die Kündigung eines mit drei Prozent verzinsten Vertrags aus dem Jahr 1978 durch Wüstenrot sei unberechtigt gewesen, entschieden die Richter (Az. 9 U 171/15). Sie halten die Kündigung mit dem BGB-Paragrafen 489 für nicht zulässig. Das Urteil gilt als eine Überraschung, weil Wüstenrot in erster Instanz recht bekommen hatte. Trotz dieser Kündigungswelle und der niedrigen Zinsen sei Bausparen nach wie vor beliebt, sagt LBS-Sprecher Lehrbach. Mit 63 411 Verträgen über insgesamt 2,08 Milliarden Euro sei im Jahr 2015 bei der LBS Rheinland-Pfalz fast ein Prozent mehr Verträge als 2014 abgeschlossen worden. "Bausparen ist ideal für alle, die eine Immobilie finanzieren und sich dabei langfristig günstige Zinsen sichern wollen", sagt Lehrbach. Bausparen sei der beste Schutz vor steigenden Zinsen.Extra

Frau A. schließt einen Bausparvertrag über 36 000 Euro ab. Die Mindestbausparsumme beläuft sich auf 18 000 Euro. Ein Bausparvertrag ist in drei Phasen unterteilt: Ansparen, Zuteilung und Darlehen. In der ersten Phase spart der Bausparer die Summe an, die für die Zuteilung notwendig ist. In der Regel sind das laut Verbraucherzentrale 40 bis 50 Prozent der vereinbarten Bausparsumme. Sobald die Mindestsumme und die Mindestlaufzeit erreicht sind, ist der Vertrag zuteilungsreif: Jetzt kann der Bausparer das verzinste Guthaben und nach Bedarf auch das Darlehen in Anspruch nehmen. In der dritten Phase zahlt der Sparer das Darlehen zurück. Die Höhe der Zinsen wurde beim Abschluss des Vertrages festgelegt. Ist der Vertrag zuteilungsreif bedeutet das, dass Frau A. ein Darlehen für eine Baufinanzierung in Höhe von 18 000 Euro in Anspruch nehmen kann, weil sie genug angespart hat. Will sie dann allerdings keine Immobilie finanzieren, könnte sie weitersparen. Je größer das angesparte Guthaben, desto geringer wäre die mögliche Darlehenssumme. Doch genau das wollen die Bausparkassen bei älteren Verträgen verhindern. redExtra

Kunden sollten bei einer Kündigung ihres Bausparvertrags Widerspruch einlegen, rät die Verbraucherzentrale. Sie sollten ihre rechtlichen Ansprüche von einem Anwalt prüfen lassen und Klagen gegen die Bausparkassen in Betracht ziehen, falls sie eine Rechtsschutzversicherung haben, die entsprechende Fälle abdecke. Es bestehe zudem die Möglichkeit, die Schlichtungsstelle oder den Ombudsmann der jeweiligen Kasse oder Bank anzurufen. red

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