Beck für Beck

TRIER. Blendende Laune kurz vor dem Wahlgang: Die SPD demonstrierte bei ihrer zentralen Wahlkampf-Veranstaltung Siegessicherheit. Hauptredner Kurt Beck wurde gefeiert, als habe er die Wahl am kommenden Sonntag bereits gewonnen.

 Ist sein eigener Hauptredner: Kurt Beck bei seinem Wahlkampf-Auftritt in der Trierer Europahalle.Foto: Hans Krämer

Ist sein eigener Hauptredner: Kurt Beck bei seinem Wahlkampf-Auftritt in der Trierer Europahalle.Foto: Hans Krämer

Drei abgespreizte Finger mit einem symbolisierten "K" und vier nach oben gestreckte Finger mit angelegtem Daumen für ein "B": So buchstabiert sich Kurt Beck. Jedenfalls für Klaus Pieck, den Gebärdensprachen-Dolmetscher, der in der Europahalle dafür sorgt, dass auch hörgeschädigte Besucher die Reden verstehen. Klaus Pieck muss gut trainierte Hände haben, sonst hätte er sich längst eine Sehnenscheidenentzündung eingehandelt, so oft wie er bei den Aufwärm-Rednern sein Beck-Zeichen einsetzen muss. SPD-Parteifreunde aus der Nachbarschaft sind angereist, der Luxemburger LSAP-Vorsitzende Alex Bodry, der ostbelgische Ministerpräsident Lambertz, der saarländische SPD-Chef Heiko Maas, und nun dürfen sie alle artige Grußadressen und Lobreden auf den Ministerpräsidenten vortragen, obwohl Kurt Beck noch gar nicht da ist. "Bald haben wir es geschafft", sagt Hausherrin Malu Dreyer. Sie meint die lange Begrüßungs-Arie, aber vielleicht denkt sie auch an den Wahlkampf insgesamt, durch den sie sich seit Wochen ebenso tapfer wie unentwegt mit unübersehbaren Rückenproblemen schleppt - Wahlkämpfer kennen keinen Schmerz. Irgendwann geht das Licht aus, ein Werbefilm für das Wunderland Rheinland-Pfalz wird eingeblendet, und dann ist er da: Kurt Beck marschiert durch den gleichen Eingang ein wie im Karneval die Prinzenpaare - nicht bei der vorderen Tür, die gleich zur Bühne führt, sondern mit Defilee und Händeschütteln einmal quer durch den Saal, der mit knapp 400 Besuchern respektabel, aber nicht überbordend gefüllt ist.Strahlt da schon der Charme des Siegers?

Vorne hat man rasch die Vorbühne mit der Bigband der Berufsbildenden Schulen tiefer gelegt, damit kein Hindernis den Kontakt zwischen Redner und Publikum hemmt. Beck wirkt kein bisschen müde, im Gegenteil: Da strahlt schon der Charme des Siegers von der Bühne, als er seine Regierungsarbeit ausgiebig bilanziert. Viel zufriedene Rückschau ist da zu hören, die Zukunftsperspektive lautet im Wesentlichen: Weiter so. Es gibt keine Wechsel- oder Denkzettelstimmung im Lande, warum soll der Landesvater da ohne Not den Kurs wechseln. Dazu passt, dass Beck bei allen Veranstaltungen sein eigener Hauptredner ist, während Konkurrent Böhr fast ausschließlich mit prominenteren CDU-Größen auftritt. Erstaunlicherweise ist die 70-minütige Stehgreif-Rede eine völlig andere als am Aschermittwoch im Kornmarkt-Casino. Viele konkrete Trier-Bezüge, aktuelle Anspielungen, Zahlen, Daten, Fakten. Entweder der Ministerpräsident kennt wirklich jedes Detail aus seinem Land, oder er ist glänzend präpariert. Ansonsten darf Dolmetscher Klaus Pieck viel Plakatives übersetzen: Kritik an der grenzenlosen Gewinnmaximierung (Daumen und Zeigefinger reiben aneinander), Lob für die Kreativität der Rheinland-Pfälzer (beide Zeigefinger deuten Richtung Gehirn), Kampfansage an die Ellenbogengesellschaft (angewinkelte Arme stoßen nach außen). Für die Konkurrenz hat Beck kaum ein Wort übrig, und wenn, dann blanke Ironie. Die Finanzierbarkeit der von der CDU geforderten zusätzlichen Ausgaben für Lehrer, Polizisten und einen früheren Schulbeginn entspreche allenfalls dem Niveau einer "Partei der linksbeinigen Yoga-Flieger", lästert der Regierungschef. Am Ende ist das Publikum genau so aufgeräumt und optimistisch wie der Redner. Nur Direktkandidatin Dreyer gießt Wasser in den Wein: "Jede noch so gute Prognose", schreibt sie ihren Parteifreunden ins Stammbuch, "hilft uns nichts, wenn der Wähler am Sonntag zu Hause bleibt."

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