Beck wie hoher Staatsgast in Ungarn begrüßt

Ministerpräsident Kurt Beck hat bei politischen Gesprächen in Ungarn für eine Fortführung grenzüberschreitender Programme im Rahmen der europäischen Regionalpolitik geworben und sich für eine direkte Flugverbindung zum Flughafen Hahn starkgemacht.

 Besuch in Ungarn: Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) im prunkvollen Parlament in Budapest.Foto: Zoltán Sipos

Besuch in Ungarn: Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) im prunkvollen Parlament in Budapest.Foto: Zoltán Sipos

Budapest. Auch nach 30 Jahren als Spitzenpolitiker erlebt Kurt Beck noch Überraschungen. Im Europa der 27 Mitgliedstaaten gilt Rheinland-Pfalz nur als eine von vielen Regionen. Doch der Ministerpräsident wird bei seinem Besuch in Ungarn wie ein hoher Staatsgast empfangen. Der Konvoi schwerer Limousinen donnert mit Blaulicht und Sirenen über rote Ampeln, bei Bedarf über die Gegenfahrbahn, vom Flughafen zur Hauptstadt Budapest und dort zu den Ministerien. Wäre Beck Bundeskanzler geworden, wäre er kaum anders behandelt worden. Als Angela Merkel im August 2009 in Ungarn war, wurde sie nur zusätzlich von einer Motorrad-Eskorte gesichert.

Die Wertschätzung für Kurt Beck wird auch an anderen Stellen sichtbar. Abweichend vom Protokoll nehmen sich Premierminister Gordon Bajnai und Wirtschaftsminister István Varga erheblich mehr Zeit für das Gespräch als die vorgesehene halbe Stunde. Die Gastgeber sind auch bestens darüber informiert, dass Beck ein großer Fußballfan ist. Als Präsent erhält er ein handsigniertes Buch vom ungarischen Torhüter des WM-Finales 1954, Gyula Grosics. Beck freut sich sehr und blättert vor dem Rückflug eifrig.

Der als bodenständig geltende Pfälzer mag das Reisen nicht besonders, bekennt er. Die Begegnungen mit Menschen schon. Er registriert sehr genau, dass die politischen Gespräche über die diplomatischen Höflichkeitsfloskeln hinausgehen. Beck trägt seinen Teil dazu bei. Er wirkt locker, aufgeräumt und gut vorbereitet. In solchen Verhandlungen kommt ihm zugute, dass er als "Aktenfresser" gilt, der auch Details parat hat. Als ihn Minister Varga interessiert nach dem Kurzarbeitergeld fragt und wissen will, was das kostet, kommt die Antwort prompt: 6,2 Milliarden Euro.

Beck ist der Einladung gefolgt, weil er rheinland-pfälzische Interessen positionieren will. Ungarn ist seit 2004 EU-Mitglied und übernimmt am 1. Januar 2011 erstmals die EU-Ratspräsidentschaft. Eine wichtige Phase steht bevor, denn es geht dann um die Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2020. Deutschland ist für Ungarn der wichtigste Handels- und politische Partner. Und Kurt Beck ist bekannt, wohl vor allem, weil er SPD-Bundesvorsitzender war. Im prunkvollen Parlament mit goldenen Zigarrenhaltern an den Wänden und Stimmkabinen, die Beck scherzend als "Beichtstühle" bezeichnet, erkennt ihn sogar ein Autogrammjäger.

Dem Ministerpräsidenten ist der sachgerechte Einsatz regionaler EU-Fördermittel ein besonderes Anliegen. Er wirbt für grenzüberschreitende Programme und nennt die Großregion Saar-Lor-Lux als Paradebeispiel dafür, wo europäisches Geld sinnvoll ausgegeben werde. Bei der Landwirtschaftsförderung dürften nicht nur ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigt werden, sondern es müsse auch um den Erhalt von Betrieben gehen, mahnt Beck.

In den Gesprächen werden Expertenrunden vereinbart, die eine Zusammenarbeit beim Ausbau regenerativer Energien ausloten sollen. Es geht ferner darum, Schulpartnerschaften zu fördern und verstärkte Schüler-/Lehreraustausche zu organisieren. Absolventen der Andrássy-Universität in Budapest, der einzigen deutschsprachigen Uni im Ausland, sollen in Rheinland-Pfalz in Verwaltung und Wirtschaft praktische Erfahrungen sammeln. Matthias Schäfer, ehemaliger Student in Trier und nun wissenschaftlicher Mitarbeiter der Andrássy, staunt: "Beck hat sich alles selbst notiert." Wichtig ist für den Ministerpräsidenten auch der Flughafen Hahn im Hunsrück. Es gab mal eine direkte Flugverbindung nach Ungarn, die eingestellt wurde. Beck ist überzeugt, dass eine Wiederaufnahme für den Tourismus beider Länder förderlich wäre.

Obwohl das stramme Programm noch Gespräche mit Außenminister Péter Balázs und Verteidigungsminister Imre Szekeres beinhaltet und nur Zeit für einen kurzen Abstecher ins jüdische Viertel von Budapest bleibt, nimmt Beck eine weitere kurzfristige Einladung an. In Ungarn tobt der Wahlkampf, der Urnengang steht im April bevor. Der junge sozialistische Spitzenkandidat Attila Mesterhazy, der in den Umfragen weit hinten liegt, kann Schützenhilfe gebrauchen. Beide Politiker verleihen ihrer großen Sorge über das Erstarken der Rechtsradikalen Ausdruck.

Apropos Wahlkampf: Während der Kurzreise erreicht den Pfälzer ein Gruß aus der Heimat. CDU-Gegenspielerin Julia Klöckner lässt wissen, sie schenke Beck anlässlich des Internationalen Frauentags einen Blumenstrauß. Als Beck das Foto auf seinem Handy sieht, reagiert er sofort: Er ruft in der Mainzer Staatskanzlei an und bittet darum, Klöckner im Gegenzug das Buch "Die Frau und der Sozialismus" von August Bebel zu schenken. Schließlich sei der Frauentag ein sozialistischer Gedenktag. Mit spitzbübischem Grinsen sagt Beck: "Macht doch Spaß, dass man im Wahlkampf auch frotzeln darf."

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