Bedingt qualmfrei

BERLIN. In Restaurants in Deutschland werden die Nichtraucher künftig stärker geschützt. Kneipen, Bars und Discotheken können das Rauchen weiterhin uneingeschränkt zulassen. Darauf haben sich das Bundesgesundheitsministerium und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband geeinigt.

Zwar gelten die Italiener als ein Volk fröhlicher Raucher. Dennoch beglückt oder drangsaliert - je nach Standpunkt - seit Anfang des Jahres Italien seine Bürger mit einem der strengsten Anti-Nikotin-Gesetze in ganz Europa. Wer beim Espresso oder nach Pizza und Pasta auf die Zigarette nicht verzichtet, dem drohen drakonische Strafen. Wirt und Gast sind betroffen, wohlgemerkt. So weit will die Bundesregierung allerdings noch nicht gehen. Den Deutschen soll erst ab 2008 per Gesetzeskeule das öffentliche Qualmen erschwert werden, wenn die Selbstverpflichtung für mehr Nichtraucherschutz in Gaststätten und Kneipen nicht wirkt. Europa wird langsam aber sicher rauchfrei. Griechenland, das größte Raucherland des Kontinents, hat schon seit 2002 die Schotten dicht gemacht für das Paffen in der Öffentlichkeit, weil Experten eine Lungenkrebs-Epidemie prophezeiten. Auch die Franzosen sind als qualmende Genießer bekannt, müssen jedoch in Bars und Restaurants erhebliche Beschränkungen hinnehmen. Und in Irland, einem der Mutterländer des Glimmstengels, ist seit letztem Jahr das Rauchen in öffentlichen Gebäuden oder Pubs mit Strafen von bis zu 3000 Euro belegt. Das sind nur einige Beispiele für den europäischen Trend. Im Vergleich ist Deutschland hingegen noch ein Waisenknabe. So haben gerade mal fünf Bundesländer das Rauchen an ihren Schulen verboten; drei weitere wollen nachziehen. Oder: Nur 50 von 2200 Krankenhäusern gelten bundesweit als rauchfrei. Ziel: Hälfte der Plätze für Nichtraucher

Und selbst in den Berliner Ministerin wird derzeit hart zwischen Leitung und Betriebsräten um ein Rauchverbot gerungen. Die Republik lässt sich eben nur schrittweise zu einer weniger qualmenden umkrempeln. Dementsprechend wird nun auch bei Cafes und Restaurants vorgegangen. Seit Anfang der 90er Jahre, als die Gefahren des Rauchens und Passivrauchens massiv die breite Öffentlichkeit erreichten, gab es immer wieder vergebliche Gesetzesinitiativen für ein Verbot. Doch erst, seit der europäische "Anti-Nikotin-Virus" grassiert, wurden solche Pläne in Deutschland wahrscheinlicher. "Ruinöse Verhältnisse" wie in Italien glaubt die Gastronomiebranche jedoch abgewendet zu haben: Nach einem Jahr Verhandlungen einigten sich jetzt das Gesundheitsministerium und der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga auf eine freiwillige Zielvereinbarung, wonach in drei Stufen bis zum 1. März 2008 in 90 Prozent der Gaststätten die Hälfte aller Plätze für Nichtraucher reserviert sein müssen. Vorbilder sind Österreich und die Niederlande. Die Vereinbarung gilt für Gaststätten über 75 Quadratmeter, in denen es mehr zu essen gibt als belegte Brötchen, Frikadellen oder sonstige Snacks. Darunter fallen zum Beispiel auch Kantinen, Eiscafés und Konditoreien. Nicht betroffen sind Stehimbisse, Diskotheken oder Restaurants mit weniger als 40 Sitzplätzen sowie die kleinen Kneipen an der Ecke. Nichtraucher-Bereiche sollen durch Schilder gleich am Eingang ausgewiesen werden. Dehoga-Präsident Ernst Fischer schätzt, dass von den 250 000 gastronomischen Betrieben gut 100 000 unter die Regelung fallen, deren Umsetzung Bundesregierung und Verband stichprobenartig überprüfen wollen. Wird die Zielmarke am Ende nicht erreicht, droht ein entsprechendes Gesetz. "Nichtraucher werden häufiger unsere Gäste sein", prognostiziert Fischer. Sein Verband muss noch erhebliche Überzeugungsarbeit leisten - weniger beim Gast als bei seinen Mitgliedern.

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