Bedingt zu Opfern bereit

TRIER. Mehr Transparenz, mehr Wettbewerb, mehr Mitsprache, bessere Versorgung - das sind die Haupt-Forderungen der Deutschen an die Ergebnisse einer Gesundheitsreform. Die Mehrheit spricht sich deutlich für eine grundlegende Veränderung des Systems aus.

DenDeutschen ist ihre Gesundheit zwar lieb (nach einerAllensbach-Umfrage achten 48 Prozent auf ihre Gesundheit), aberzu teuer. Sie sind unzufrieden. Das Vertrauen in das von vielenals vorbildlich gepriesene System ist zerrüttet. Bereits vor derBundestagswahl 2002 forderte über die Hälfte der Bevölkerung: Esmuss sich etwas ändern. Damals kam das MeinungsforschungsinstitutEmnid zu dem Ergebnis: "Die Versicherten wollen mehr Qualität.Das ständige Drehen einzelner Schräubchen an einzelnen Teilen desSystems reicht den Menschen nicht mehr aus." 52 Prozent derBefragten plädierten für grundlegende Veränderungen imGesundheitswesen. Doch weder der Bundesregierung noch derOpposition trauten die Befragten zu, diese Reform umzusetzen. Die Deutschen wollen mehr Eigenverantwortung - ohne höheren Eigenbeitrag. Genau das will angeblich auch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Das Recht der Patienten soll im Mittelpunkt stehen. Trotzdem sollen sie häufiger ihren Geldbeutel öffnen müssen, wenn es um ihre Gesundheit geht. Dazu sind die Versicherten aber nur bedingt bereit.

Laut einer aktuellen Befragung von 1000 Versicherten durch das Iges-Institut Berlin sind 34 Prozent der Befragten bereit, eine Praxisgebühr von etwa fünf Euro zu bezahlen. Dabei handelt es sich aber um Patienten, die innerhalb eines Jahres häufiger beim Arzt waren. Diejenigen, die innerhalb eines Jahres keine Arztpraxis von innen gesehen haben, lehnen die Gebühr mehrheitlich ab - selbst dann, wenn sich der eigene Beitrag zur gesetzlichen Krankenkasse um diese Summe reduzieren würde.

Bonus-Modelle kommen an

Anders sieht es aus bei den Bonus-Modellen. 74 Prozent der Befragten geben an, dass sie verpflichtende Vorsorge-Untersuchungen in Anspruch nehmen würden, wenn sich so ihr Kassenbeitrag reduzieren würde. Auf breite Ablehnung stößt ein von der Rürup-Kommission in den Ring geworfener Vorschlag, den Zahnersatz aus dem Leistungskatalog zu nehmen. Zwölf Prozent sagen genau wie der Kanzler in seiner "Ruck-Rede": Wir wollen den sozialen Stand eines Bürgers nicht an seinem Gebiss erkennen.

In erster Linie erwarten die Versicherten von einem guten Gesundheitssystem bessere Leistungen als heute. 36 Prozent fordern das; 44 Prozent sagen, mehr Leistung bei gleichbleibenden Beiträgen seien ihnen wichtig; nur 20 Prozent meinen, dass gleichbleibende Beiträge das oberste Ziel der Gesundheitspolitik sein muss.

Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass den Deutschen Qualität wichtiger als fallende Beiträge ist. Zumindest lässt sich herauslesen, dass stabile Beiträge in den Augen vieler kein Dogma sein dürfen, an dem sich die Gesundheitspolitik allein orientieren darf. Denn 58 Prozent sind fest davon überzeugt, dass sich die Beiträge in den nächsten Jahren "etwas" erhöhen werden, 18 Prozent glauben sogar, dass sie "stark" erhöht werden. Qualität ist also wichtiger als Beitragsstabilität. Denn 47 Prozent sprechen sich für den Vorschlag von Gesundheitsministerin Schmidt aus, Ärzten Gütesiegel auf der Basis von unabhängigen Qualitätsüberprüfungen zu vergeben.

In einer weiteren repräsentativen Befragung des Inra-Instituts gaben 35 Prozent der Befragten an, sie könnten sich vorstellen, einen höheren Beitrag zu den Arzt-Kosten zu leisten. 58 Prozent lehnen dies ab, fünf Prozent forderten spontan geringere Beiträge.

Besonders deutlich ist die Ablehnung gegen die Reformpläne bei weniger gut Verdienenden, die von unter 1500 Euro leben. 70 Prozent von ihnen lehnen die Vorschläge ab. Mit steigendem Einkommen nimmt auch die Zahlungsbereitschaft leicht zu. Einhellige Zustimmung gibt es nur für zwei Reformvorschläge. 87 Prozent befürworten Beitragsrabatte für die regelmäßige Teilnahme an Vorsorge-Untersuchungen, 86 Prozent sind für eine so genannte Patientenquittung.

Die Deutschen wollen offensichtlich wissen, was ihre Gesundheit kostet. Denn auch bei der Befragung des Berliner Iges-Instituts können sich 56 Prozent mit einer Patientenquittung anfreunden. Darauf werden die Kosten einer Behandlung quittiert; abgerechnet wird wie bisher zwischen Arzt und Kasse. Damit sollen die Versicherten zu mehr Kostenbewusstsein angehalten werden. Noch mehr als die Ablehnung höherer Eigenbeteiligung müsste Gesundheitsministerin Schmidt aber das wachsende Misstrauen der Bürger in eine Reformfähigkeit der Politik aufschrecken: Nur 13 Prozent der Versicherten vertrauen darauf, dass sie eine Gesundheitsreform im Sinne der Beitragszahler und Patienten umsetzen kann.

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