Bedrohte Gesellschaft

PRÜM. (mc) Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran könnte nicht nur in einem Flächenbrand münden, der die Nahost-Region erfasst – er würde auch die iranische Zivilgesellschaft spalten und das Mullah-Regime stärken, ist sich Iran-Experte Bahman Nirumand sicher.

Der Mann am Rednerpult im Prümer Hauses der Kultur weiß, wofür er kämpft. Oft genug fällt das Wort "Menschenrechte". Ein Verteidiger der iranischen Mullahs, der radikalislamischen Geistlichen, die den Iran seit der Revolution von 1979 beherrschen, ist Bahman Nirumand (TV-Foto: Miguel Castro) gewiss nicht: Der Autor lebt seit Jahrzehnten im Exil. Nirumand erzählt von der iranischen Bevölkerung: von Frauen, die als "islamische Feministinnen" Rechte einfordern. Von den 60 Prozent Frauen unter den Studenten. Von Jugendlichen, die lieber im Internet surfen als Märtyrer huldigen und Champagner mit ihrer Angebetenen trinken. Von den Armen, die Arbeit suchen. "Der Iran heute ist nicht mehr der Iran von vor 20 Jahren", sagt Nirumand vor 150 Zuhörern auf der Veranstaltung des Prümer Geschichtsvereins. Fast unbemerkt vom Westen habe sich eine Zivilgesellschaft entwickelt, die mehrheitlich das "islamische Regime" ablehne. "Die so genannte Islamische Republik leidet seit ihrer Gründung an einem Widerspruch: einerseits Gottesstaat, andererseits demokratischer Anspruch." Früher oder später werde die Herrschaft der korrupten und in sich gespaltenen Geistlichen zusammenbrechen, ist Nirumand sicher. Auch der radikale Präsident Ahmadinedschad habe kein Konzept, die Bevölkerung für sich zu gewinnen. Seine verbalen Ausfälle seien für den Westen bestimmt. Eine Provokation. Denn weiterhin droht der Konflikt um das iranische Atomprogramm hin zum offenen Krieg zu eskalieren. Ein "Flächenbrand" wäre die Folge, der die gesamte Region erfassen würde. "Die Gefahr hierfür ist sehr groß", sagt Nirumand. Der Ton verschärft sich: Irans Moskau-Botschafter Gholamreza Ansari drohte gestern mit Vergeltung im Falle eines US-Angriffs: Der Iran sei zu Verhandlungen bereit, aber niemand habe das Recht, ihn mit Gewalt vom Atomprogramm abzubringen. USA wollen die Kontrolle

Nirumand äußert gewisses Verständnis für die Atompolitik seines Heimatlandes: US-Truppen an den Grenzen, Atommächte als "Nachbarn". "Wie soll der normale Iraner das verstehen?" Die USA strebten nach Nirumands Aussage die Kontrolle über die ölreiche Region an. Das erzeuge Unruhe. Die Folgen: Terrorismus und Stärkung islamistischer Gruppen. Sollte die USA angreifen, befürchtet Nirumand eine Spaltung der iranischen Gesellschaft. "Viele würden sich wohl mit dem Regime aus patriotischen Gründen solidarisieren", sagt er - was wiederum die Führung um Ahmadinedschad stärken würde. Auch Europa stehe in der Verantwortung: Es sollte nicht im Fahrwasser der USA schwimmen, sondern die Friedens- und Demokratiebewegung im Iran unterstützen.

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