Befiehlt Obama den Alleingang?

Washington/London · Die Front der Befürworter eines Militärschlags gegen Syrien bröckelt. Das britische Parlament pfeift Premier Cameron zurück. Berlin schließt einen Einsatz der Bundeswehr erstmals strikt aus. Nun ist die Frage: Was unternimmt US-Präsident Obama?

Washington/London. Nach dem britischen Nein zur Beteiligung an einem Militärschlag gegen Syrien richten sich die Augen auf US-Präsident Barack Obama. Mit Spannung wird erwartet, ob er notfalls einen Alleingang in Kauf nimmt, um den syrischen Machthaber Baschar al-Assad wegen des vermuteten Einsatzes von Giftgas in die Schranken zu weisen. Die Chemiewaffen-Experten der Vereinten Nationen schlossen am Freitag ihre Untersuchungen in Syrien ab. Es ist geplant, dass sie an diesem Samstag das Land verlassen und danach Bericht erstatten.
Die US-Regierung geben dem Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad eindeutig die Schuld an dem Chemiewaffenangriff am 21. August in Syrien. Die Beweise dafür stammten aus Tausenden Quellen und seien "so klar wie schlüssig", sagte Außenminister John Kerry am Freitag in einer emotionalen Erklärung in Washington. Bei der Attacke am 21. August seien 1429 Menschen getötet worden, darunter mindestens 426 Kinder. Dies sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die USA würden darauf entsprechend reagieren. Die US-Geheimdienste hätten alle Fakten ausführlich überprüft und seien sich sicher, was exakt passiert sei. Die Ergebnisse der Untersuchung der Vereinten Nationen (UN) würden keine zusätzlich nötigen Beweise erbringen. Wegen der "garantierten russischen Blockadepolitik" im UN-Sicherheitsrat werde die US-Regierung weiter mit ihren Verbündeten und dem Kongress über das Vorgehen in Syrien beraten. Ein möglicher Militärschlag würde keine Bodentruppen und kein längerfristiges Engagement in Syrien bedeuten.
Dennoch wird sich Deutschland an einem internationalen Militärschlag gegen das Assad-Regime nicht beteiligen. Nach dem Nein des britischen Parlaments schlossen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Freitag einen Einsatz der Bundeswehr erstmals strikt aus. Wegen des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes hatte die Bundesregierung seit Beginn der Woche immer wieder "Konsequenzen" verlangt. Die Hoffnung in Berlin ruht nun darauf, dass doch noch eine diplomatische Lösung möglich wird.

Alle blicken auf die USA


US-Präsident Obama, der einen Einsatz chemischer Waffen durch das syrische Regime zur "roten Linie" erklärt hat, werde seine Entscheidung von den "Interessen" der Vereinigten Staaten abhängig machen, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin des Weißen Hauses, Caitlin Hayden. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel, der derzeit auf Südostasien-Reise ist, bekräftigte, die USA wollten auch nach dem britischen Nein eine internationale Koalition gegen das Regime in Damaskus schmieden.
Zählen kann Washington wohl weiterhin auf eine Unterstützung Frankreichs. Präsident François Hollande will eine internationale Reaktion gegen Syrien notfalls auch ohne UN-Mandat.
Der britische Premierminister David Cameron zeigte sich nach der Abstimmungsschlappe im Unterhaus enttäuscht. Er werde sich dem Votum des Parlaments beugen, jedoch international weiter für eine "robuste Antwort" auf die Anwendung von Chemiewaffen werben.Extra

Das Bündnis Entwicklung Hilft hat vor einer weiteren militärischen Eskalation in Syrien gewarnt. Stattdessen sollten die diplomatischen Bemühungen noch einmal verstärkt werden, erklärte das Bündnis am Freitag in Berlin. "Das Leid der Zivilbevölkerung ist bereits jetzt unermesslich, und jede neue Kampfhandlung führt zu mehr Toten, Verletzten und Flüchtlingen." Zu den Bündnis-Mitgliedern gehören die Christoffel-Blindenmission, medico international, Misereor, terre des hommes und Welthungerhilfe. Auch die Diakonie Katastrophenhilfe befürchtet eine Verschlechterung der Lage der Flüchtlinge bei einem Militärschlag. KNA

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