Bei der Suche nach atomarem Endlager ist ein Durchbruch greifbar nah

Berlin · Mehr als 30 Jahre währt schon der Streit um Gorleben und damit um die Frage, wo der deutsche Atommüll Tausende von Jahren strahlen wird. Nun könnte die Einigung auf einen Neubeginn der Endlagersuche dicht bevorstehen.

Berlin. 1,6 Milliarden Euro sind in den vergangenen drei Jahrzehnten im Wendland verbuddelt worden, haben aber die politischen Gräben in Sachen Endlager nur vertieft. Heute hat Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) eine historische Chance: Mit einem Kompromiss, der zwar selbst wenig regelt, aber eine komplett neue, ergebnisoffene Standortsuche in ganz Deutschland möglich macht. Bei einem Treffen mit den Ministerpräsidenten aller Bundesländer und den Vorsitzenden aller Bundestagsfraktionen (mit Ausnahme der Linken) soll dieser Ansatz in Berlin endgültig vereinbart werden.
Die wichtigsten Vorgespräche sind erfolgt. Das entsprechende Gesetz soll, so das Ziel der Bundesregierung, möglichst noch vor der Sommerpause Bundestag und Bundesrat passieren - ehe das Thema wieder in Wahlkämpfe und politische Wirren gerät. Altmaier hat viele Gespräche, auch mit Oppositionspolitikern wie Jürgen Trittin (Grüne) und Sigmar Gabriel (SPD), geführt, um die nötige Vertrauensbasis zu schaffen.
Möglich ist der neue Ansatz aber letztlich nur, weil viele Konflikte ausgelagert werden - in eine 24-köpfige Kommission aus allen gesellschaftlichen Bereichen, die bis 2015 arbeiten soll. Bundestag und Bundesrat sollen dann über deren Empfehlungen entscheiden. Darunter die Frage, in welchem Wirtsgestein gesucht und wie viele Standorte gleichzeitig alternativ erkundet werden sollen. Das veranschlagte Geld, zwei Milliarden Euro, würde für fünf Erkundungsorte reichen, doch steht die Zahl nicht fest. Die Atomkonzerne sollen die Suche bezahlen.
Eine Kernfrage ist auch, ob der Müll rückholbar gelagert oder für ewig verbuddelt werden soll. Das ist vorentscheidend, weil zum Beispiel bei Salzstöcken wie in Gorleben eine Rückholbarkeit auf Dauer nicht gegeben ist. Hierfür sind Ton- und Granitschichten geeigneter, wie es sie auch in Süddeutschland gibt. Für die Rückholbarkeit spricht, dass spätere technische Entwicklungen zur besseren Entsorgung dann noch eine Chance hätten; dagegen, dass das hochradioaktive Material missbraucht werden könnte.
Voraussetzungen erfüllt


Erste Voraussetzung für den Neuanfang bei der Endlagersuche war der Atomausstiegsbeschluss der Bundesregierung von 2011. Weil damit die weitere Erzeugung von Atommüll absehbar beendet wurde, waren Gespräche überhaupt möglich.
Zweite Voraussetzung war der Regierungswechsel in Baden-Württemberg. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärte sich Ende 2011 prinzipiell bereit, auch sein Bundesland in eine neue Suche einzubeziehen. Vorher hatte Baden-Württemberg, wie alle unionsregierten Länder, darauf bestanden, nur in Gorleben weiter zu bohren. Der eigene Untergrund sei ungeeignet, hieß es immer. Nach Kretschmanns Wende konnte auch Bayerns CSU sich nicht mehr verweigern. Die vom damaligen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) erwünschte "weiße Landkarte" war da - fast.
Das letzte Hindernis beseitigte Röttgens Nachfolger Altmaier Ende März, als er bei der neuen rot-grünen niedersächsischen Landesregierung erreichte, dass auch Gorleben nicht ausgenommen wird. Altmaier entschied im Gegenzug als vertrauensbildende Maßnahme, dass die Arbeiten dort sofort gestoppt und dass keine weiteren Castortransporte in das Zwischenlager erfolgen werden.
Nun ist die Landkarte wirklich weiß, allerdings sind die eingefleischten Gorleben-Gegner enttäuscht und wollen heute in Berlin demonstrieren. Außerdem muss Altmaier nun andere Abnehmerländer für die anstehenden 26 Castortransporte finden. Auch das gehört zu den offenen Themen, über die heute gesprochen wird. Ebenso wie die genaue Zusammensetzung der Kommission und wer sie leiten soll. Das ganze Verfahren ähnelt der Ethikkommission, die die Regierung 2011 einsetzte, um den Atomausstieg vorzubereiten. Der Vorsitzende damals: Ex-Umweltminister Klaus Töpfer.

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