Bei Verspätung weniger Geld

Berlin · Wenn der Flieger Verspätung hat, ist das schon unangenehm genug. Jetzt droht den Fluggästen zusätzlich noch finanzieller Ärger.


Berlin. Allein den deutschen Passagieren gehen laut einer von der Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegebenen Studie 384 Millionen Euro jährlich an Entschädigung durch die Lappen, wenn die Europäische Union wie geplant ihre Reform der Fluggastrechte-Verordnung umsetzt.
Bislang gilt: Erreicht ein Fluggast sein Ziel über drei Stunden später als versprochen, und die Airline trägt Schuld daran, bekommt er eine Entschädigung. Bei Flügen von bis zu 1500 Kilometern sind das 250 Euro, bei Flügen bis zu 3500 Kilometern 400 Euro und bei mehr als 3500 Kilometern und vier Stunden Verspätung 600 Euro. Doch die EU-Kommission will die in der Vergangenheit mühevoll errungenen Ansprüche nun deutlich einschränken. Dagegen regt sich auch bei Verbraucherschützern erheblicher Widerstand.
Nach dem Willen von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas sollen bei reinen Verspätungen die Reisenden künftig nur noch dann Geld bekommen, wenn die Verzögerung je nach Distanz fünf oder sogar zwölf Stunden beträgt. Das, so kritisieren die Grünen, sei ein Geschenk an die Fluglinien auf Kosten der Verbraucher. Wo doch die bisherigen Entschädigungszahlungen insbesondere Billigflieger dazu zwingen sollten, mehr in die Qualität ihres Angebotes zu investieren.
Die Bundestagsfraktion hat daher das Potsdamer Unternehmen Flightright nachrechnen lassen, wie teuer die Novelle für die Passagiere in Deutschland wird. Flightright kann nach eigenen Angaben auf die internationalen Flugdatenbanken zugreifen und hat laut Expertin Andrea Feustel schon vielen Gästen geholfen, ihre Vergütungen bei den Luftfahrtkonzernen durchzusetzen.
Gehen Ansprüche verloren?


Laut Analyse haben allein in Deutschland pro Jahr rund 1,3 Millionen Flugreisende einen Entschädigungsanspruch, der im Durchschnitt 400 Euro beträgt. 72 Prozent davon würden durch die Neuregelungen der Verspätungszeiten ihren Anspruch nun verlieren, heißt es in der Studie. Die Entlastung der Airlines belaufe sich deshalb in Deutschland auf 384 Millionen Euro.
Die Zahlen seien von anderen Wissenschaftlern bestätigt worden, betont die Grünen-Fraktion. Freilich, auch nach der alten Regelung hat nur ein Bruchteil der Passagiere seine Rechte geltend gemacht. Die meisten kennen sie schlichtweg nicht.
In Brüssel gehen dem Vernehmen nach die Verhandlungen über die Verordnung jetzt in die entscheidende Phase. Die Bundesregierung hat bislang den Kommissionsvorschlag gestützt. Bis Ostern muss sie eine erneute Stellungnahme abgeben. Sie solle endlich "für den Erhalt des bestehenden Schutzniveaus kämpfen", forderte der tourismuspolitische Sprecher der Grünen, Markus Tressel. Wenn der Vorschlag der EU-Kommission durchkomme, fehle der Anreiz, größere Verspätungen zu vermeiden. Auch würden die Fluglinien wieder weniger investieren, "weil kaum noch Entschädigungszahlungen fällig werden", so Tressel im Gespräch mit unserer Zeitung.

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