Schwesterparteien auf Schmusekurs Marmor, Stein und Eisen bricht

Nürnberg · Beim Parteitag in Nürnberg herrscht zwischen der Kanzlerin und der CSU plötzlich große Harmonie.

 Neue Harmonie: Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel erhält beim CSU-Parteitag vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer den Vortritt.

Neue Harmonie: Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel erhält beim CSU-Parteitag vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer den Vortritt.

Foto: dpa/Nicolas Armer

Das fängt ja gut an für die Kanzlerin. Als Angela Merkel gegen 17 Uhr die Frankenhalle in Nürnberg betritt, ist der Begrüßungsapplaus der rund 1000 CSU-Delegierten zunächst schon mal recht freundlich. Merkel grinst, schüttelt ein paar Hände – und als sie dann oben auf der Bühne das Wort ergreift, sagt sie keck: „Ob Sie es glauben oder nicht, ich freue mich heute wieder richtig, bei Ihnen auf einem CSU-Parteitag zu sein.“ In der Messehalle kommt Begeisterung auf. Streit? Zoff? Ablehnung? Nein. Harmonie pur ist jetzt angesagt.

„Ich danke herzlich für die Begrüßung“, schiebt Merkel erleichtert nach. Aus gutem Grund: Es ist noch gar nicht so lange her, da war das für sie ganz anders in der Höhle des bayerischen Löwen. Im November 2015, beim Parteitag in München, demütigte CSU-Chef Horst Seehofer die Kanzlerin auf offener Bühne mit einer 13 Minuten langen Belehrung zur Flüchtlingspolitik. Merkel stand da, mit verschränkten Armen und wirkte wie ein ungezogenes Schulkind. Bilder, die auch im Saal keiner vergessen hat. Ein Jahr später wurde sie noch nicht einmal zum Konvent eingeladen. Jetzt wird ihre Rede sogar häufiger von Applaus unterbrochen. Skeptisch fragt Merkel einmal: „Gab es gerade ein Twitter-Signal, zu klatschen?“ Die Delegierten feixen.

Merkel lobt die Gemeinsamkeiten, auch die Kompromisse, die man in der Zuwanderungspolitik eingegangen sei. „Stark sind CDU und CSU immer nur, wenn sie sich einig sind“, mahnt die Vorsitzende der Schwesterpartei. Zum Schluss ihrer Rede wendet Merkel sich an Seehofer: Irgendwann habe sie mal die Platte „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unser Liebe nicht“ aufgelegt. „Jetzt ist es wieder so weit.“ Die Halle tobt.

Merkel ruft: „Die Schwächephase haben wir hinter uns, die Bereicherungsphase vor uns.“ Sie erhält Standing Ovations. Vor einem Jahr noch undenkbar. Aber Geschlossenheit wiederherzustellen, diese Kunst beherrschen die Unionsparteien perfekt. Um des Erfolges willen.

Dann schreitet Horst Seehofer zur Bühne, wie der alternde König von Bayern. Seehofer hat später mal erklärt, dass er im November 2015 Merkel nicht gesehen habe, weil sie hinter ihm stand. Diesmal hat er bereits vorher angekündigt, die Kanzlerin nicht aus den Augen lassen zu wollen. So kommt es auch. Fast comedyartige Szenen spielen sich ab. Merkel lacht schon vielsagend, als der CSU-Chef naht, verschränkt einmal kurz wie damals die Arme; Seehofer macht mit seiner Hand die Geste, Merkel nach vorne schieben zu wollen, doch die Kanzlerin zeigt auf den Bühnenrand. Der Saal ist verzückt. „Auch wenn du es mir nicht glaubst, ich freu mich, dass du da bist, beim CSU-Parteitag“, säuselt der Bayer. Und: „Wir sind geschlossen wie lange nicht mehr, und das ist ein ganz großer Wert.“ Versöhnung kann so schön sein. Wenn sie denn hält. Die CSU-Strategen hatten im Vorfeld die große Hoffnung, dass sich in Nürnberg die große Harmonie über alle Konflikte legt. Einer ist jedenfalls erst einmal bereinigt.

Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass Seehofer ein politisches Auslaufmodell ist. Der innerparteiliche Machtkampf hat die CSU in eine katastrophale Lage geführt. Deswegen soll Seehofer an diesem Samstag als Parteichef zwar wiedergewählt, aber sein Widersacher Markus Söder zum Ministerpräsidenten-Kandidaten für die Landtagswahl im Herbst 2018 gekürt werden. Bei der Begrüßung erhält Seehofer Applaus, bei Söder mischt sich sogar Jubel darunter.

Die Partei sieht in Seehofer den Hauptschuldigen für die miserablen 38,8 Prozent bei der Bundestagswahl. Beide müssen aber unbedingt Zeichen der Einträchtigkeit setzen, was ihnen anfangs schwerfällt. Sie sitzen zwar vor der Parteitagseröffnung an der Bühne nebeneinander –  viel zu sagen haben sie sich nicht. Für Seehofer wird der Konvent ohnehin heikler –2015 war er mit 87,2 Prozent gewählt worden, jedes Ergebnis unter 80 Prozent wird von seinem Umfeld als Watsche angesehen. Sein Vorteil ist allerdings, dass er noch gebraucht wird. Und zwar, um mit seiner Erfahrung die komplizierten Verhandlungen in Berlin mit der SPD zu führen. Dafür braucht ihn auch Merkel. Gemeinsam werde man die Positionen der Union durchsetzen, verspricht Merkel. Und Seehofer nickt.

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