Beleidigungen, Attacken und Beschimpfungen

Berlin · Jeder Beschäftigte des öffentlichen Dienstes hat laut aktuellen Studien schon Beleidigungen oder aggressive Attacken erlebt. "Da ist etwas eingerissen in den letzten Jahren", äußerte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gestern bei einer Fachkonferenz in Berlin besorgt.

Berlin. Es sind die drastischen Taten, die Schlagzeilen machen: 2012 ersticht in Neuss ein Arbeitsloser seinen Sachbearbeiter im Jobcenter; 2014 wird ein Finanzbeamter in Rendsburg von einem Steuerberater erschossen. Und 2015 tötet ein Bauer im Havelland einen Mitarbeiter des Veterinäramtes. Gewiss krasse Einzelfälle, aber auch Ausdruck einer Tendenz.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière listete auf: Die Gewalt gegen Polizisten nehme zu, Mitarbeiter in Ämtern seien immer häufiger mit Pöbeleien konfrontiert, selbst Lehrer müssten sich mit Drohgebärden von Eltern auseinandersetzen.
Zudem verstärke das Internet die Entwicklung. "In sozialen Netzwerken explodiert mittlerweile der Hass", so der Minister - und das nicht erst seit Beginn der Flüchtlingskrise. Er warnte: "Verrohte Sprache ist Gift." Der Weg hin zur physischen Gewalt könne dann ein kurzer sein. Nach Angaben des Bielefelder Gewaltforschers Andreas Zick ist die Zahl der jährlichen Angriffe auf Polizisten inzwischen auf über 60 000 angestiegen, auch Rettungskräfte blieben vor wütenden Ausbrüchen nicht verschont. 80 Prozent der Zugbegleiter hätten bei einer Umfrage angegeben, sie hätten Angst vor der Nachtschicht. Zick analysierte, dass es durchaus Situationen geben könne, die Aggressionen förderten - die Kürzung oder die Ablehnung von Sozialleistungen durch Ämter beispielsweise, selbst das Abschleppen eines Fahrzeugs oder Verwarn- und Bußgelder gehörten dazu. Damit umgehen zu lernen, gefährliche Situationen zu erkennen und vielleicht zu entschärfen, darauf müssten die Beschäftigen im öffentlichen Dienst besser vorbereitet werden.Reden über Respekt und Anstand


Der Vorsitzende des Beamtenbundes, Klaus Duderstädt, erinnert zudem daran, dass es bei vielen Bürgern inzwischen eine Art "Abholmentalität" gebe, ein Anspruchsdenken. Erfülle es sich nicht, führe dies zu Frust. Die unzureichende Personalausstattung in vielen Behörden und der erhöhte Stress der Mitarbeiter könne die Gefahr von Aggressionen steigern. Viele Mitarbeiter litten zudem unter mangelnder Wertschätzung sowie überbordender Bürokratie, erklärte Uwe Mayer vom Jobcenter Hof.
Doch was tun? De Maizière forderte eine große gesellschaftliche Debatte über Respekt und Anstand, "eine Rückbesinnung auf ethische Grenzen und moralische Tabus".
Zugleich appellierte er an Eltern, ihren Kindern mehr Vorbild zu sein in einem vernünftigen Sozialverhalten. Negative Entscheidungen von Ämtern müssten wieder mehr akzeptiert werden.
Außerdem plädierte er für Schutzmaßnahmen wie Notruftasten in bestimmten Behörden, mehr Schulungen in Deeskalation und Bewältigung von Konfliktlagen. Auch müsse geprüft werden, wie Ämter anders gestaltet werden könnten, "damit sie Aggression nicht fördern".
Geht es um Konsequenzen für die Täter, scheint es bei den Betroffenen im öffentlichen Dienst ein hohes Frustpotenzial zu geben, wie in der Konferenz deutlich wurde. Oft würden Vorgesetzte sagen, Anzeigen seien unnütz, weil die Justiz nicht durchgreife. Dem widersprach de Maizière: "Ich kann den Satz, man kann ja doch nichts machen, nicht mehr hören." Wer nicht anzeige, müsse sich nicht wundern, wenn die Justiz nicht handle. Gleichzeitig kündigte er an: "Härtere Strafen helfen. Wir reden in der Innenministerkonferenz darüber."

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