Belgien will Gratis-Autobahnen abschaffen

Auch in Belgien sollen Autofahrer künftig zur Kasse gebeten werden. Ab 2013 gibt es im Nachbarland eine PKW-Maut. Gut möglich, dass dann auch Autobahnen und Bundesstraßen in der Region Trier als Ausweichrouten herhalten müssen.

 Um Brummis kilometergenau abzurechnen, könnten auch in Belgien Maut-Brücken nach deutschem Vorbild gebaut werden. Foto: dpa

Um Brummis kilometergenau abzurechnen, könnten auch in Belgien Maut-Brücken nach deutschem Vorbild gebaut werden. Foto: dpa

Eupen. Spötter dürften für den jüngsten Beschluss der belgischen Politiker eine einfache Erklärung haben: "Die führen die Maut ein, weil ihnen die Autobahnbeleuchtung zu teuer wird." Wahr daran ist, dass Belgien wohl tatsächlich das einzige Land in der Welt ist, in dem praktisch das komplette Autobahnnetz nachts beleuchtet werden kann. Wahr ist aber auch, dass auf den belgischen Autobahnen längst nicht mehr die ganze Nacht das gelbliche Licht brennt. Aus Kostengründen wird inzwischen fast überall um kurz nach Mitternacht der Ausschalter gedrückt.

Mit einer Rolle rückwärts ist nicht zu rechnen, selbst wenn in zwei Jahren die Kassen plötzlich klingeln sollten. Ab 2013 führt auch Belgien eine PKW-Maut ein, die es in vielen anderen europäischen Ländern bereits gibt (siehe Hintergrund). Darauf haben sich die Politiker der drei belgischen Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel nach sechsjährigem Tauziehen geeinigt. Hauptknackpunkt in der Vergangenheit: Wie werden die Gelder unter den zerstrittenen Regionen verteilt?

Mittlerweile ist die Frage geklärt: 52 Prozent bekommt Flandern, zehn Prozent Brüssel und 38 Prozent die Wallonie, zu der auch die deutschsprachige Gemeinschaft gehört. Dafür sind andere Fragen noch völlig offen, etwa die Höhe der PKW-Maut. Ausländische Autofahrer sollen eine zeitlich befristete Vignette kaufen können, allerdings keinen Aufkleber wie beispielsweise in Österreich, sondern womöglich einen elektronischen Chip. Einheimische Autofahrer sollen eine jährliche Pauschale zahlen, dafür aber bei den Steuern entlastet werden. Auch für LKW-Fahrer wird sich ab 2013 einiges ändern: Statt der jetzigen Vignette für rund 1250 Euro pro Jahr sollen die Brummis dann je gefahrenen Kilometer zur Kasse gebeten werden. Diskutiert wird über ein ähnliches System wie in Deutschland.

Die belgische Maut dürfte nicht nur Autofahrern gegen den Strich gehen. Auch Verkehrsexperten aus dem benachbarten Nordrhein-Westfalen schwant bereits Böses, weil Belgien Haupttransitland ist für die jährlich bis zu drei Millionen Niederländer, die nach Süden in den Urlaub fahren. "Es ist eindeutig mit Mehrbelastungen für den Verkehr auf den deutschen Autobahnen im Westen zu rechnen", sagte für den Fall einer belgischen PKW-Maut schon vor drei Jahren ein ADAC-Sprecher voraus. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen auch die Fachleute der Bundesanstalt für Straßenwesen und des nordrhein-westfälischen Landesbetriebs Straßen.

Im rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium dagegen geht man davon aus, dass sich die Auswirkungen in Grenzen halten werden. "Schon jetzt benutzen viele Niederländer die mautfreien deutschen Autobahnen, wenn sie nach Südfrankreich fahren", sagt Sprecherin Beate Schrader.

Aus dem luxemburgischen Verkehrsministerium wollte sich gestern auf TV-Anfrage niemand zur belgischen PKW-Maut und eventuell ähnlich gelagerten Plänen im Großherzogtum äußern.

Meinung

Euro-Vignette statt Alleingänge

Warum legen die Belgier beim Thema PKW-Maut plötzlich so ein Tempo an den Tag, nachdem sie jahrlang nicht in die Gänge gekommen sind? Sind die Straßenschäden des strengen Winters daran schuld oder die auch dort chronisch leeren Kassen? Sei's drum. Demnächst müssen ausländische Autofahrer jedenfalls auch in Belgien zahlen. Verständlich, wenn sich die Freude der Betroffenen darüber in Grenzen hält. Richtig ärgerlich ist aber etwas anderes: Während die Europäische Union nicht müde wird, alles zu normieren und Barrieren zwischen den Mitgliedsstaaten abzubauen, kocht bei den Straßengebühren jedes Land sein eigenes Süppchen. Und kein Politiker regt sich darüber auf. Dabei gäbe es eine Alternative: eine EU-weit gültige Vignette für alle Autofahrer. Damit wären auch nicht die Länder die Dummen, die keine PKW-Maut erheben und deren Straßen deshalb für Gebührensparer willkommene Ausweichroute sind. r.seydewitz@volksfreund.deHintergrund Maut in Europa: Mit seinen Plänen zur Einführung einer PKW-Maut ist Belgien in guter Gesellschaft. In mittlerweile 17 europäischen Ländern werden die Autofahrer für die Benutzung von Autobahnen und Schnellstraßen zur Kasse gebeten. Dabei gibt es zwei Modelle. In Frankreich, Italien oder Spanien wird eine sogenannte streckenbezogene Maut erhoben. Dabei wird pro zurückgelegtem Kilometer beziehungsweise gefahrener Strecke gezahlt. In anderen Ländern dagegen können Tages-, Wochen-, Monats- oder Jahresvignetten gekauft werden. Ertappten Mautsündern drohen Strafen bis zu mehreren Hundert Euro. (sey)

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