Berlin beschließt, Trier bezahlt

Die Finanzen der Städte, Kreise und Gemeinden werden derzeit von zwei Seiten in die Zange genommen. Die Krise reduziert drastisch die Einnahmen, zugleich bringen Gesetze und Verordnungen aus Berlin und Mainz Zusatz-Ausgaben, auf die sie keinen Einfluss haben, wie sich am Beispiel der Stadt Trier dokumentieren lässt.

Trier. Wenn sich die Mitglieder des Städte- und Gemeindebundes Rheinland-Pfalz heute in der Mainzer Rheingoldhalle zu ihrer Jahreshauptversammlung treffen, steht eigentlich die Kommunalreform im Mittelpunkt der Tagesordnung. Doch den Vertretern der Kommunen brennt derzeit ein anderes Problem auf den Nägeln. Sie rechnen dieser Tage die aktuelle Steuerschätzung auf ihr Budget für die kommenden Jahre herunter. Und die Ergebnisse sind alarmierend.

In der Trierer Stadtverwaltung prüft man noch die Zahlen. Aber zweistellige Millionen-Rückgänge bei den Steuer-Einnahmen scheinen schon jetzt sicher, allein aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung. Und das Fatale ist, dass das chronisch defizitäre städtische Budget gleichzeitig durch neue Kosten belastet wird, die keineswegs auf Beschlüssen des Stadtrates beruhen.

Zum Beispiel das "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" der neuen Bundesregierung. "Die dort geplanten Entlastungen werden uns, wenn sie wirksam sind, bis zu 4,5 Millionen Euro im Jahr kosten", sagt der Trierer Oberbürgermeister (OB) Klaus Jensen. Die Konsequenzen aus den Änderungen des Einkommenssteuergesetzes in Sachen Stabilitätssicherung und Pendlerpauschale können seine Experten noch gar nicht beziffern, ebensowenig wie beim neuen "Familienleistungsgesetz" oder der Steuerentlastung bei Vorsorgeaufwendungen. Wohl aber die Kosten der Reduzierung des Bundesanteils bei den Unterkunftskosten im Rahmen des "Arbeitslosengelds 2": 800 000 Euro zusätzlich muss die Stadt allein im Jahr 2010 aufbringen.

"Hier werden Vereinbarungen zu Lasten Dritter, nämlich der Kommunen, getroffen", ärgert sich Jensen. Dass es oft sinnvolle Gesetze sind, die auf dem Rücken der Kommunalfinanzen ausgetragen werden, steht dabei gar nicht in Frage.

Zum Beispiel bei der Kindertagesbetreuung, wo Bund und Land ab 2010 für alle Zweijährigen und ab 2013 vom ersten Lebensjahr an einen Kita-Platz garantieren. 2,7 Millionen Euro muss die Stadt Trier dafür allein im Jahr 2010 in ihrem Haushalt extra bereitstellen.

Und das engagierte "Landesgesetz zum Schutz von Kindeswohl und Kindergesundheit" schlägt beim städtischen Jugendamt mit einer Million zusätzlich für besseren Kinderschutz nieder.

Im Prinzip müsste das Land die entstehenden Zusatzkosten übernehmen, denn in Rheinland-Pfalz gilt das "Konnexitätsprinzip" mit seiner vergleichsweise klaren Formel: "Wer bestellt, bezahlt". Das bleibe leider "oft theoretisch", sagt Winfried Manns vom Städte- und Gemeindebund. In der Praxis wird meist auf Landesebene entschieden, ob den Kommunen Kompensationszahlungen zustehen.

Im Ergebnis führt das dazu, dass der Spielraum, über den die kommunale Selbstverwaltung tatsächlich noch entscheiden kann, immer kleiner wird. Über 75 Prozent sind nach Experten-Schätzung Pflichtausgaben. Die Kommunen stehen unter massivem Spardruck, aber sparen können sie nur an dem kleinen Teil ihres Haushalts, der die freiwilligen Ausgaben umfasst. Bund und Länder, sagt Winfried Manns, "sparen bei sich selbst zu wenig". Er fürchtet, dass im Zuge der neuerdings im Grundgesetz verankerten "Schuldenbremse" Städte und Gemeinden als letzte in der Kette die Zeche zahlen.

Die Zeichen in vielen Kommunen stehen auf Sturm. In Mecklenburg-Vorpommern, erzählt Manns, seien neulich die Bürgermeister als Demonstranten in den Landtag marschiert. Weit ist es davon in Rheinland-Pfalz nicht mehr entfernt. -pf./hw

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