Berliner Mahnungen an den Londoner Wahlsieger

Berlin/London · Sofern es um Parteipolitik geht, stehen die Berliner Koalitionspartner Union und SPD bei der Beurteilung des Wahlergebnisses im Vereinigten Königreich zwar gegeneinander. Beide eint jedoch die Sorge, dass es mit den Briten jetzt europapolitisch noch schwieriger werden könnte.

Berlin/London. Am deutlichsten äußerte sich der Vorsitzende des Europaausschusses, Gunther Krichbaum. Er fordert vom alten und neuen Premierminister David Cameron eine europapolitische Kurskorrektur. Cameron solle nun seinen eigenen Überzeugungen folgen und "offensiver" auf die Vorteile eingehen, die sein Land bislang aus der Mitgliedschaft in der EU gezogen habe, sagte der CDU-Politiker unserer Zeitung. "Eine Neuverhandlung der Europäischen Verträge, wie von ihm gefordert, wird es jedenfalls nicht geben", sagte Krichbaum. "Die Verträge sind bereits Kompromisse." Zudem hoffe er, dass Cameron nach der Wahl zu einer besseren Zusammenarbeit in der Asyl- und Flüchtlingspolitik bereit sein werde. Hier habe der Premier zuletzt aus Furcht vor einer Wahlniederlage eine "Blockadepolitik" betrieben.
Diplomatischer äußerte sich der für Europa zuständige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), zu Großbritanniens Rolle in der EU. "Europa ist immer dann stark, wenn es mit einer Stimme spricht und geschlossen auftritt. Das gilt angesichts der zahlreichen Krisen weltweit heute mehr denn je."Jubel über Erfolg der Tories



Der Unions-Fraktionsvizechef Franz-Josef Jung (CDU) bejubelte den Erfolg der Tories: "Die Briten haben sich für eine positive wirtschaftliche Entwicklung und gegen sozialistische Experimente entschieden", sagte der frühere Verteidigungsminister auf Anfrage. Cameron sei der "klare Sieger". Jung hob zudem hervor, dass die europafeindliche UKIP mit ihrem "populistischen Kurs" nicht habe punkten können. Mit den Worten "Wir wollen mit Premierminister Cameron auch in Zukunft einen gemeinsamen Weg in Europa gehen", ging der CDU-Politiker nur indirekt auf Camerons Absicht ein, ein Referendum über die britische EU-Zugehörigkeit anzusetzen.
"Sehr enttäuscht" äußerte sich SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer. Das britische Mehrheitswahlrecht habe der schottischen Nationalpartei zu einem erdrutschartigen Siegeszug in Schottland verholfen. "Diese hohen Mandatsverluste konnte Labour im Rest des Landes nicht kompensieren", analysierte Schäfer gegenüber unserer Zeitung. Positiv wertete auch der SPD-Mann das schwache Abschneiden der Rechtspopulisten. "Dies sollte die Tories endlich von ihrem europapolitischen Schlingerkurs abbringen" forderte Schäfer.
Die Linke sprach mit Blick auf das von Cameron angekündigte Referendum von einer "schlechten Wahl für Europa". Statt die EU leichtfertig aufs Spiel zu setzen, sei es erforderlich, sie gerechter und sozialer auszugestalten, sagte ihr Obmann im Auswärtigen Ausschuss, Stefan Liebich.

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