Beschlüsse gegen Hunger und schnelle Erderwärmung
Elmau · Manch ein Gipfelteilnehmer geriet ins Schwärmen. Der Blick aus den Fenstern des Schlosses auf Wiesen und Berge sei inspirierend, soll Kanzlerin Angela Merkel gelobt worden sein. Allenthalben wurde die Atmosphäre des G7-Treffens in Elmau als gut und die Diskussion als gewinnbringend bewertet.
Elmau. Die befürchteten Krawalle blieben aus. Die Kanzlerin befand bei ihrer Abschlusspressekonferenz: "Es war ein sehr produktives Treffen." Aber was hat der Gipfel tatsächlich gebracht?
Ukraine/Russland: Einhellig verständigte sich die G7-Runde darauf, dass man Russland die Verletzung der europäischen Sicherheitsarchitektur nicht durchgehen lassen will. Die Tür zur G8 soll daher verschlossen bleiben. Auch scheint man offenbar bereit zu sein, die Sanktionen wenn nötig zu verlängern und sogar zu verschärfen, falls sich die Lage im Donbass weiter zuspitzt. Den Gesprächsfaden zu Putin will man aber nicht abreißen lassen, man benötigt ihn zum Beispiel zur Lösung des Syrien-Konflikts. Auch will man die Ukraine mit Finanzhilfen unterstützen - nicht mit Waffen.
Griechenland: Die griechische Misere spielte vor allem am ersten Gipfeltag eine große Rolle. Griechenland ist das ungelöste Problem der Euro-Zone, und diese ist ein wichtiger Bestandteil der Weltwirtschaft. Deshalb war das Interesse bei US-Präsident Obama, dem kanadischen Premier Harper und dem Japaner Abe groß. "Alle, die hier am Tisch waren, wünschen sich, dass Griechenland im Euro-Raum bleibt", sagte Merkel hinterher - und erinnerte Athen an die Reformleistungen anderer Krisenländer.
Weltwirtschaft/Freihandel/Arbeit: Auch TTIP wurde diskutiert. Europa drückte bei Präsident Obama aufs Tempo - das Freihandelsabkommen zum Abbau von Handelshemmnissen soll noch in diesem Jahr "deutliche Fortschritte erreichen", sagte Merkel. Intensiv wurde auch die Lage der Weltwirtschaft beraten. Das Wachstum in der G7-Zone gehe nach oben, bleibe aber unter den Möglichkeiten, befanden die Teilnehmer. Reformen und den Abbau der Verschuldung will man daher vorantreiben. Auch verständigte man sich auf einen globalen Fonds für weltweit menschenwürdige Arbeitsbedingungen (Vision Zero Fund). Und für die Opfer eines Fabrikeinsturzes vor zwei Jahren in Bangladesch steht endlich ein Hilfsfonds mit 30 Millionen US-Dollar zur Verfügung.
Irak/IS-Terrorismus: Man war sich einig, dass die Koalition gegen die IS-Terroristen noch nicht die Fortschritte erbracht hat, die man sich erhofft hatte. Dennoch glaubt man, mit Luftschlägen den richtigen Weg eingeschlagen zu haben - ein Eingreifen mit Bodentruppen lehnt man ab. Den Irak, dessen Regierungschef extra zu diesem Tagesordnungspunkt angereist war, will man vor allem mit mehr Ausbildung von Soldaten zur Bekämpfung des IS unterstützen. Erstmals wollen sich auch die Briten daran beteiligen.
Klima: "Wir machen jetzt Klima", sagte die Kanzlerin zu Beginn der entscheidenden Beratungsrunde gestern Morgen. Und sie hatte Erfolg. Erstmals erklären die sieben nun als ihr gemeinsames Ziel, dass sie die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzen wollen, und dass sie in diesem Jahrhundert den Ausstieg der Weltwirtschaft aus der Nutzung fossiler Energien (Dekarbonisierung) anstreben. Greenpeace hatte diese Forderung in der Nacht per Laser gut sichtbar für die Gipfelteilnehmer ins Hochgebirge projiziert und auf Englisch "100 Prozent Erneuerbare" verlangt. Der G7-Beschluss dürfte auch die deutsche Kohlediskussion beleben. Die G7 erneuerten auch ihre Zusagen für einen 100-Milliarden-Euro-Klimafonds, den es ab 2020 jährlich für die Bewältigung der Erderwärmung in Entwicklungsländern und für die Umstellung auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz geben soll. Allein Deutschland gibt dafür vier Milliarden Euro. Zweitens unterstützen die Teilnehmer den Ausbau von Versicherungen, die künftig 400 Millionen Menschen nach extremen Wetterereignissen helfen sollen. Derzeit sind so nur 100 Millionen geschützt.
Gesundheit/Ebola: Die G7 versprechen, dass sie eine Weltbank-Initiative für eine internationale Notfalleinrichtung gegen Pandemien unterstützen wollen. Die nach Worten der Kanzlerin "schlechte Reaktion" auf Ebola soll auf UN-Ebene aufgearbeitet werden, damit sich so etwas nicht wiederholt. Und der Antibiotika-Einsatz bei Menschen und Tieren soll nach dem Willen der sieben Industriestaaten künftig überall verschreibungspflichtig sein. Entsprechende Programme der Weltgesundheitsorganisation werden unterstützt.
Afrika: Wie bei jedem Gipfeltreffen war dies ein gesonderter Tagesordnungspunkt mit extra eingeflogenen Gästen. Darunter die Regierungschefs Äthiopiens, Nigerias und Tunesiens, aber auch die Chefs der Afrikanischen Union, von IWF und der Weltbank. Die G7 schlugen als UN-Entwicklungsziel vor, bis 2030 rund 500 Millionen Menschen aus Hunger und Mangelernährung herauszuholen, und versprachen, dafür einen substanziellen Beitrag zu leisten. Das soll bei der Uno-Generalversammlung im September beschlossen werden. Weltweit leiden derzeit 1,2 Milliarden Menschen Hunger. Deutschland hat eine Erhöhung seiner Entwicklungshilfe beschlossen.