Beschwerliche Reise nach Jamaika

Nach der Hessen-Wahl droht die politische Blockade, auch für die sogenannte Jamaika-Koalition. Noch. Denn käme es in drei Wochen in Hamburg zur ersten schwarz-grünen Regierungs-Ehe, dann wären Jamaika-Bündnisse wohl nur noch eine Frage der Zeit.

Berlin. Grüne Koalitionen seien "Zweckbündnisse auf Zeit". Deshalb gehöre das "überkommene Lagerdenken" endlich überwunden. So sprach der grüne Spitzenpolitiker Fritz Kuhn schon im Frühjahr 2006. Damals ging es um eine mögliche schwarz-grüne Regierung in Baden-Württemberg. Knapp zwei Jahre später hat sich Kuhns Vorsatz scheinbar in Luft aufgelöst. In Hessen droht die absolute politische Blockade. Und die Grünen blockieren munter mit. Von der FDP fordert Kuhn jetzt, sie solle einer Dreier-Koalition unter rot-grünen Vorzeichen beitreten. Ein Trio ja, aber ohne SPD, sondern mit der CDU, kontern die Liberalen. Das auch als "Jamaika"-Bündnis bekannt gewordene Gedankenspiel stößt mittlerweile sogar in der CSU auf Sympathie. Für die Grünen wäre es allerdings ein doppelter Kulturbruch, der obendrein noch zum falschen Zeitpunkt und am falschen Objekt vollzogen werden müsste. Weder mit der FDP noch mit der CDU haben die Grünen bislang auf Länderebene koaliert. In drei Wochen wird in Hamburg gewählt. Dort kämpft man offiziell für Rot-Grün. Und dank des Anti-Ausländer-Wahlkampfs von Roland Koch ist das grüne Verhältnis zur Hessen-CDU nachhaltig vergiftet. Kurzum, eine "schwarze Ampel" in Wiesbaden scheidet damit praktisch aus. Dass die Reise nach Jamaika für die Grünen generell tabu bleiben wird, ist allerdings kaum vorstellbar. Und eine erste Etappe auf diesem Weg könnte die schon erwähnte Hamburg-Wahl sein. Jüngsten Umfragen zufolge zeichnet sich an der Elbe eine ähnliche Situation wie in Hessen ab. Es reicht nicht mehr für die absolute Mehrheit der CDU, aber auch nicht für Rot-Grün und schon gar nicht für Schwarz-Gelb - die Liberalen drohen an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. CDU-Regierungschef Ole von Beust hatte sich deshalb schon vor Wochen für ein "schwarz-grünes Experiment" ausgesprochen. Die Landes-Grünen wiederum signalisieren, dass man sich Gesprächen nicht verschließen wolle. In der Hansestadt ist die CDU weitaus liberaler und weltoffener als etwa in Hessen. Käme es im Norden der Republik zur ersten schwarz-grünen RegierungsEhe, dann wären Jamaika-Bündnisse wohl nur noch eine Frage der Zeit. Dass Grüne und FDP grundsätzlich miteinander können, zeigen nicht nur ihre gegenseitigen Avancen für eine Regierungsbildung in Hessen. In der Finanzpolitik ist man sich durchaus ähnlich, bei der inneren Sicherheit und den Bürgerrechten sowieso, und selbst in der Umweltpolitik scheinen die Gräben nicht unüberwindbar zu sein. Gravierende Ausnahme ist hier allerdings der Atom-Ausstieg. Für die grüne Partei hätte die Jamaika-Variante sogar einen strategischen Vorteil: Weil sich Union und FDP darum bemühen, wäre sie in einer besseren Verhandlungsposition, eigene Forderungen durchzusetzen. Dagegen ginge eine Ampel mit der SPD eher zu grünen Lasten, weil sich dort die FDP ihr Mitwirken entsprechend honorieren ließe. Noch eines spricht langfristig für eine solche Annäherung: In Hessen haben die Grünen zwar viele Stimmen eingebüßt. Aber eine grüne Wählerwanderung zur FDP hat es kaum gegeben. Beide Parteien kamen sich also nicht ins Gehege. Vielmehr fischten sie in einer unterschiedlichen Wählerschaft. Falls sich diese Entwicklung auch bei anderen Wahlen verfestigt, könnten FDP und Grüne sogar gemeinsame strategische Interessen entwickeln, um sich in Dreierbündnissen unter den großen Volksparteien zu behaupten. Damit verringert sich die Gefahr, dass Union und SPD die "Kleinen" gegeneinander ausspielen. Von den emotional aufgeladenen Streitigkeiten über Regierungsbildungen würde dann nur noch wenig übrig bleiben. Aber das ist es auch, was "Zweckbündnisse auf Zeit" auszeichnet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort