Bessere Pflege, höherer Beitrag
BERLIN. Nach der Gesundheitsreform gilt die Sanierung der Pflegeversicherung als größte sozialpolitische Her-ausforderung für die Koalition. Viele bezweifeln allerdings, ob Union und SPD noch die Kraft für ein weiteres unpopuläres Gesetz aufbringen können. Nun kursieren Spekulationen über einen höheren Versichertenbeitrag.
Die drei zuständigen Unterhändler, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) haben sich erst zweimal in vertraulicher Runde getroffen. Von Beschlüssen ist man demnach weit entfernt. Umso mehr schießen die Spekulationen ins Kraut. Gestern wurde ein politisches Denkmodell bekannt, wonach der Pflegebeitrag um 0,4 Prozent steigen könnte. Damit ließen sich die in der Koalitionsvereinbarung angestrebten Leistungsverbesserungen finanzieren. So sollen die seit 1995 unveränderten Pflegesätze endlich der Preisentwicklung angepasst und der Hilfsbedarf für Altersverwirrte (Demenz) besser berücksichtigt werden. Zur Finanzierung der langfristig steigenden Pflegekosten ist auch eine so genannte Demografie-reserve geplant. Nach Überzeugung der pflegepolitischen Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, führt deshalb kein Weg an Beitragssteigerungen vorbei. "Wer mehr Leistungen will, muss auch mehr Geld in die Hand nehmen", sagte Mattheis unserer Zeitung. Gegenwärtig liegt der Pflegebeitrag bei 1,7 Prozent des Bruttolohns. Kinderlose zahlen bereits einen Zuschlag von 0,25 Prozent. Eine weitere Erhöhung um 0,4 Prozent würde pro Jahr rund vier Milliarden Euro zusätzlich in die Pflegekasse spülen. "Damit kann man einiges machen", so Mattheis. Für den Aufbau der notwendigen Demografiereserve müsse jedoch die private Pflegeversicherung "mit ins Boot geholt werden". Andernfalls könnten nur geringe Leistungsverbesserungen finanziert werden, argumentierte Mattheis. In der Koalitionsvereinbarung ist von einem "Finanzausgleich" zwischen gesetzlicher und privater Pflegekasse die Rede. Denn die private hat prozentual deutlich weniger Pflegefälle zu versorgen, verfügt aber über ein Finanzpolster von rund 16 Milliarden Euro. Die Details für eine Finanzspritze sind allerdings umstritten. Schon das Gezerre um die Gesundheitsreform hat gezeigt, dass die Union den Kreis der Privatversicherten vor größeren Mehrbelastungen bewahren will. "Der sinnvollste Weg wäre eine Beitragserhöhung und ein individueller Zusatzbeitrag, den auch Privatversicherte zahlen", erklärte der CDU-Pflegeexperte Willi Zylajew gegenüber unserer Zeitung. Rund 1,5 Milliarden Euro kosteten die Verbesserungen für Demenzkranke, rechnete er vor. Weitere 500 Millionen müssten für die Dynamisierung der Pflegesätze berücksichtigt werden. Hinzu käme ein Defizitausgleich von jährlich etwa einer Milliarde Euro. Der größte Posten ist nach Angaben Zylajews aber die Demografiereserve. Für eine angemessene Vorsorge müssten in den kommenden zwei Jahrzehnten vier Milliarden Euro pro Jahr aufgebracht werden. Unter dem Strich wären damit zusätzliche Einnahmen von sieben Milliarden Euro fällig. "Der jetzt diskutierte Beitragsschub um 0,4 Prozent reicht dafür nicht aus", resümierte Zylajew. Dabei birgt eine Beitragserhöhung ohnehin politischen Zündstoff. Ganz gleich, in welcher Höhe. Nach dem Willen der Union sollen nämlich nur die Versicherten mehr zahlen, aber nicht die Arbeitgeber. Damit tut sich die SPD schwer. Die Sozialdemokraten lehnen auch den schon erwähnten Zusatzbeitrag ab, den die Union in Form einer einkommensunabhängigen Kopfpauschale erheben will. Angesichts der grundlegenden Differenzen ist es auch kein Wunder, dass schon die Treffen der drei Minister gewissermaßen das Ziel markieren: Für eine Einigung über die Reform gebe es "keinen Zeitplan", hieß es gestern aus Regierungskreisen.