Beteiligung für alle

Union und SPD haben nun doch noch ein neues Projekt für ihre restliche Regierungszeit gefunden: Die Beteiligung der Arbeitnehmer an Unternehmen. Nach der SPD, die am Mittwoch mit ihrem "Deutschlandfonds" vorgeprescht war, legten gestern die Unionsparteien CDU und CSU ihr gemeinsames Konzept vor.

In Deutschland haben nur acht Prozent der Arbeitnehmer Firmenanteile; im europäischen Ausland sind es 20 Prozent. Das möchte die Koalition ändern, zumal die Unternehmen gute Gewinne machen. Die SPD betont in ihrem Konzept die Sicherheit der Geldanlage. Die Mitarbeiter sollen sich über einen "Deutschlandfonds" an den Firmen beteiligen, nicht mit einer direkten Einlage. Dadurch werde das Risiko breit gestreut. Die Unionsparteien setzen hingegen auf die existierenden direkten Beteiligungsformen wie GmbH-Anteile, Beteiligungsgesellschaften oder Genussscheine. Das sei, sagte Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), die "Autobahn", alle anderen Lösungen seien nur "Nebenstraßen". In den Betrieben soll es dazu freiwillige Vereinbarungen geben, die für alle Mitarbeiter gelten. Laumann hatte das Unions-Konzept zusammen mit Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) ausgearbeitet. Um den Anreiz für die direkte Investition in die eigene Firma zu erhöhen, sollen nach den Unionsplänen Beteiligungen bis zu 500 Euro jährlich steuer- und sozialabgabenfrei sein (derzeit 135 Euro). Bei Mitarbeitern, deren Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze liegt, oder deren Beteiligung bis 1000 Euro pro Jahr beträgt, soll nur die Steuer wegfallen. Die Union rechnet mit Anschubkosten von 920 Millionen Euro pro Jahr. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz kritisierte, man könne nicht jedes Problem lösen, indem man eine Steuersubvention erhöhe. Bürokratische Hürden und die mangelnde Sicherheit seien der Grund dafür, dass die Beteiligungsmöglichkeiten so wenig genutzt würden. Die SPD will die staatliche Förderung bei ihrem Fondsmodell nur minimal verbessern. In ihrem Konzept sieht auch die Union die Schaffung von Fonds vor, wenn auch nur regional oder branchenspezifisch und nur als "Ausnahme". Sie nähert sich damit der Idee der SPD. Gegen deren Deutschlandfonds wandte Huber ein, dass er ein "Megafonds" werde, "bei dem die Gefahr groß ist, dass er irgendwann Wirtschaftspolitik macht". Außerdem fehle ihm das, was der Sinn der Mitarbeiterbeteiligung sei: Die Erhöhung der Leistungsbereitschaft und Motivation der Beschäftigten. Laumann hingegen ließ durchblicken, dass für ihn Fonds, wenn auch in kleinerer Form, mehr als nur eine Ausnahme sind. Denn viele mittelständische Unternehmer scheuten eine direkte Beteiligung ihrer Mitarbeiter. Meinung Einigung in Sicht Wer nicht auf Klassenkampf, sondern auf Sozialpartnerschaft setzt, findet die Beteiligung der Mitarbeiter an den Unternehmen prinzipiell eine gute Idee. Also fast jeder. Die Arbeitnehmer bekommen etwas von den Gewinnen ab und können damit selbst Gewinn machen. Den Arbeitgebern bringt die Extraausschüttung, die von den Beschäftigten wieder investiert wird, eine bessere Eigenkapitalbasis und eine höhere Identifikation mit dem Betrieb. In der Praxis funktioniert die Teilhabe in Deutschland nicht. Denn die Arbeitnehmer wollen zwar auch ein bisschen Kapitalist sein, aber bitte ohne Risiko. Und die Arbeitgeber wollen die Beschäftigten zwar beteiligen, aber bitte ohne die Bilanz offen legen zu müssen. Ängste auf beiden Seiten verhindern, dass bereits vorhandene Möglichkeiten genutzt werden. Die Vorstellungen von Union und SPD haben eine große Schnittmenge. Nicht ein großer Deutschlandfonds, aber mehrere Fonds könnten als Dritte eingeschaltet werden, um das Risiko für die Arbeitnehmer zu streuen und ihren Einfluss auf die Unternehmen abzuschwächen. Gewürzt mit einer etwas verstärkten staatlichen Förderung könnten solche Modelle tatsächlich einen Schub in Sachen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand bringen. Wenn die Koalitionsparteien nicht jetzt schon auf Wahlkampf, sondern auf Regierungspartnerschaft setzen, dann sollte sich eine Lösung finden lassen.

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