Betreuung: Weniger Geld für Helfer

TRIER. (DiL) Sozialverbände, Vormundschaftsrichter und Kommunen laufen Sturm gegen eine geplante Verschlechterung des Betreuungrechts. Sie befürchten, die einstige "Jahrhundert-Reform" werde durch die Vorschläge einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Torso.

Mitte Juni, rechtzeitig zum Start der Feriensaison, legte die Kommission ihre Vorschläge vor - seither herrscht Aufruhr bei den Betreuungs-Vereinen der Kirchen und Wohlfahrtsverbände. Eine "Zerschlagung der Strukturen" fürchtet etwa der Trierer Diözesanverband des SKM, einem katholischen Verein für soziale Dienste. Ende August ist eine Anhörung geplant, danach beginnt das Gesetzgebungsverfahren. Vor gut zehn Jahren war das alte Vormundschaftsrecht mit dem Haupt-Instrument der "Entmündigung" abgeschafft und durch ein System der "Betreuung" ersetzt worden, das auf möglichst weitgehender Selbstbestimmung des Betroffenen und differenzierten Hilfsangeboten basiert. Haupt- und ehrenamtliche Betreuer sollten ein Funktionieren des Systems gewährleisten. Politiker aller Parteien feierten das Gesetz seinerzeit als "enormen humanen Fortschritt" und "zukunftsfähige Lösung". Nun wird ihnen ihre Musterregelung offenkundig zu teuer. Im Jahr 2002 überschritt die Zahl der betreuten Bürger bundesweit erstmals die Millionengrenze. Bei den Amtsgerichten in der Region Trier sind über 3000 Fälle aktenkundig, davon allein in der Stadt Trier 1300 - beileibe kein Problem einer winzigen Minderheit. "Das kann auf jeden zukommen", sagt Triers Sozialdezernent Georg Bernarding. Aufgrund der gewachsenen Fallzahlen sind auch die Kosten explodiert. Weil diese über die Justizkassen abgewickelt werden, sind die Länder Kostenträger. In Nordrhein-Westfalen reichten 1995 noch 26 Millionen Euro, inzwischen sind es 104 Millionen. Das größte Bundesland ist deshalb auch der Vorreiter bei einer Neuregelung der Kosten. Statt die hauptamtlichen Betreuer nach dem nötigen Aufwand zu bezahlen, sollen knappe Pauschalen eingeführt, die Aufwandsentschädigung für die Ehrenamtler drastisch beschnitten werden. Vertreter der konfessionellen Verbände weisen darauf hin, dass die hauptamtlichen Betreuer vor allem bei schwierigen Fällen eingesetzt würden, die einen hohen Zeitaufwand verursachen. Das werde künftig nicht mehr möglich sein. Der Bundesverband der Lebenshilfe sieht gar in manchen Bereichen die Betreuungsvereine "zur Aufgabe gezwungen". Eine fatale Aussicht für die Kommunen, die in letzter Konsequenz das Betreuungsangebot gewährleisten müssen. Weniger Betreuung gleich weniger Selbsthilfe gleich mehr Heimunterbringungen mit Totalversorgung - und damit mehr Sozialkosten für Gemeinden und Kassen. Einen "weiteren Verschiebebahnhof" nennt Dezernent Bernarding dieses Prozedere.

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