Europa Bewährungsprobe für Macron

Paris · Frankreich hat am Montag einen schwarzen Dienstag erlebt. Neben der Bahn streikten auch Air France und die Müllabfuhr. Der monatelange Bummelstreik könnte den Reformeifer des Staatschefs bremsen.

 Vergeht ihm das Lachen? Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Vergeht ihm das Lachen? Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Foto: dpa/Thierry Roge

Perlenstreik nennen die Franzosen einen Ausstand, der sich über mehrere Wochen hinzieht. Der romantische Name passt allerdings nicht zu der Realität, die sich am Dienstag auf den Bahnhöfen vor allem in Paris zeigte: Tausende Menschen drängten sich an überfüllten Gleisen oder mussten auf Autos und Busse umsteigen. An Tag eins der dreimonatigen Arbeitsniederlegung der Eisenbahner gegen die Bahnreform verkehrten kaum Vorortzüge, nur wenige Regionalzüge und einer von acht TGV. „Wir sind Opfer, wir haben nichts gemacht“, sagte eine Reisende im Fernsehen.

Opfer nicht nur der Bahn, sondern indirekt auch der Reformpolitik von Präsident Emmanuel Macron. Der hatte im Wahlkampf angekündigt, Frankreich „umzugestalten“ und dabei keine Zeit verloren. Die Arbeitsrechtsreform im Herbst setzte der sozialliberale frühere Wirtschaftsminister ohne großen Widerstand um. Bei der Bahnreform könnte der Protest nun deutlich heftiger ausfallen, denn im Gegensatz zum Arbeitsrecht kommt der Umbau der hoch verschuldeten Staatsbahn SNCF, ohne dass im Wahlkampf davon die Rede war.

Erst im Februar verkündete Regierungschef Edouard Philippe, dass sich die Regierung an das heiße Eisen wagt, das bisher noch jeder Präsident wieder fallen ließ. „Die Lage ist alarmierend, um nicht zu sagen unhaltbar“, sagte der hoch gewachsene frühere Konservative damals mit ernster Miene. Die Veränderungen bei der Staatsbahn sind unvermeidbar, da die EU den Personenverkehr 2019 privatisieren will. Doch Macron nutzt die Frist zu Veränderungen, die auch vor der letzten heiligen Kuh des Sozialsystems nicht halt machen: dem Sonderstatus der 147 000 Eisenbahner. Ab einem noch festzulegenden Datum soll es keine Anstellungen mit den alten Privilegien mehr geben. Schluss also mit Arbeitsplatzgarantie, Gratis-Arztbesuch und Rente ab 52 für das fahrende Personal.

„Macron will aus der SNCF das Symbol seines Reformwillens machen. Er will einen Skalp an seinen Gürtel heften“, sagte ein Berater des Präsidenten der Zeitung Le Figaro. Für den Staatschef steht mehr auf dem Spiel als nur die marode Bahn, die vor allem mit Pannen und Verspätungen von sich reden macht. Für ihn geht es darum, nach einem knappen Jahr im Amt die Weichen für den Rest seiner Präsidentschaft zu stellen. „Wenn sie nachgeben, können sie den Reformen, die sie an anderen Fronten angehen wollen, Lebewohl sagen“, kommentierte der Figaro die Möglichkeiten von Philippe und Macron. Denn nach der Bahnreform, bei der Macron sich am Vorbild Deutschland orientiert, will der 40-Jährige den heiklen Umbau des Rentensystems und die Reform des öffentlichen Dienstes in Angriff nehmen.

Auch für die Gewerkschaften ist der Einsatz hoch. Noch ist eine knappe Mehrheit der Franzosen für die Bahnreform. Doch die Unterstützung für den Streik wächst: Laut Meinungsforschungsinstitut Ifop stieg die Zustimmung innerhalb von zwei Wochen von 42 auf 46 Prozent. 

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