Blamage für CSU-Mann Manfred Weber: Italiener Tajani wird EVP-Kandidat für EU-Parlamentspräsidentschaft

Brüssel · Für die Nachfolge von Martin Schulz kann der EVP-Fraktionschef keinen überzeugenden Kandidaten aufbieten.

Das Rennen um die Nachfolge von Martin Schulz an der Spitze des Europa-Parlamentes werden zwei Italiener unter sich ausmachen. Am 17. Januar in Straßburg wird es eine Kampfkandidatur zwischen dem ehemaligen EU-Kommissar Antonio Tajani geben, der für die Christdemokraten antritt, und dem Fraktionschef der Sozialisten, Gianni Pitella. Dies steht fest, nachdem sich Tajani in der größten Fraktion im Europa-Parlament gegen drei weitere Kandidaten knapp durchgesetzt hat. Der 63-jährige Tajani bekam in der Fraktionssitzung 94 Stimmen. Seine EVP-Fraktion stellt 217 Abgeordnete im Parlament.

Obwohl Tajani von der größten Fraktion nominiert wird, werden ihm geringere Chancen als Pitella eingeräumt. Im EU-Parlament mit 751 Stimmen benötigt der EVP-Kandidat die massive Unterstützung aus anderen Fraktionen. Die Sozialisten dürften einigermaßen geschlossen für Pitella stimmen. Bei den Grünen und Linken wird Tajani aber so gut wie keine Stimmen holen. Ihnen ist er so gut wie unvermittelbar, weil er der Partei von Silvio Berlusconi, Forza Italia, angehört und als enger Vertrauter des ehemaligen italienischen Regierungschefs gilt. Der Grüne Sven Giegold twitterte: "Mamma Mia. Tajani ist Parteifreund Berlusconis & schaute den Diesel-Abgastricks schon 2012 tatenlos zu. Unwählbar!"

Für den Fraktionschef der EVP, den CSU-Politiker Manfred Weber, ist die Entscheidung für Tajani eine Blamage. Der 44-Jährige Weber, der gerade erst mit einem sehr guten Ergebnis wiedergewählt wurde, hatte sich in einem Brief an die Abgeordneten gewandt und darum geworben, bei ihrer Entscheidung im Hinterkopf zu behalten, die Populisten nicht zu stärken.

Genau dies ist jetzt aber eingetreten: Da Tajani bei Grünen und Linken auf größte Widerstände stößt, müsste er Stimmen im rechten Lager einsammeln, wenn er im dritten Wahlgang eine Chance haben wollte.

Für Weber ist die neue Lage unangenehm: Die Schulz-Nachfolge ist die erste wichtige Personalentscheidung, die er in seiner Funktion als Fraktionschef regeln muss. Er hat sich massiv dafür stark gemacht, dass nach dem Sozialdemokraten Schulz wieder ein Mitglied der EVP-Fraktion den Posten bekommt. Sollte er damit scheitern, würde ihm dies als Niederlage angerechnet.

Da sich Tajani EVP-intern nur knapp durchsetzen konnte, rechnen Beobachter damit, dass selbst im dritten Wahlgang, wenn die einfache Mehrheit ausreicht, nicht alle EVP-Abgeordneten für ihn stimmen würden. In der EVP-Fraktion hatten die Irin Mairead McGuinness und der Franzose Alain Lamassoure mit Tajani um die Nominierung gekämpft.

Insider der Fraktion berichten, dass Tajani in der Gruppe der 217 EVP-Abgeordneten von den drei Kandidaten die höchste Anerkennung genieße. Wie beliebt er intern ist, spielt aber am 17. Januar nicht die Hauptrolle. Entscheidend wird da sein, welche Außenwirkung der Kandidat entwickelt. Und da werden Tajani keine guten Prognosen gegeben.

Zu Beginn der Wahlperiode hatten Sozialisten und Christdemokraten im Europaparlament eine informelle Zusammenarbeit beschlossen. Teil der Vereinbarung ist, dass zur Hälfte der Wahlperiode Martin Schulz (SPD) den Parlamentspräsidentenposten aufgibt und die EVP die Nachbesetzung regeln kann. Indem der Italiener Pitella vor wenigen Wochen seine Kandidatur angemeldet hat, gilt die informelle große Koalition als beendet.

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