Blix-Berichte contra "Blitzkrieg"

WASHINGTON. Trotz aller diplomatischen Schlappen drückt Washington in der Irak-Krise weiter aufs Tempo. In der Opposition wird die Kritik an Bushs Kriegskurs dagegen lauter: "Die Weltmeinung ist gegen uns."

Am Wochenende schien - nach einem erneuten Wechsel in deroffiziellen Sprachregelung - noch klar, wie in den Augen vonUS-Präsident George W. Bush ein Irak-Krieg in letzter Minutevermieden werden kann. "Der Präsident hat gesagt, was nötig ist:Vollständige Abrüstung und Regimewechsel", hatteRegierungssprecher Ari Fleischer formuliert. Doch nur 24 Stundenspäter ruderte Fleischer bereits wieder zurück: Auf die bohrendeFrage mehrerer Reporter, ob eine vollständigeRaketen-Verschrottung sowie Offenlegung aller chemischen undbiologischen Waffen für den Verzicht auf eine Militäraktion nichtdoch ausreiche und dies Saddam Hussein damit auch denAmtsverbleib sichern würde, verweigerte Fleischer diesmalüberraschend ein klares "Nein". Stattdessen versuchte er sich aneiner ganz neuen Erklärung: Dem Diktator in Bagdad könne auchzukünftig nicht getraut werden, weil er jetzt Waffen zerstöre,deren Besitz er zuvor abgestritten habe. Fleischer: "Wie sollenwir wissen, dass es nicht die Mutter aller Ablenkungsmanöverist?" Sprich: Was immer Saddam Hussein tut, er wird den Kopfnicht mehr aus der Schlinge ziehen können. Beobachter werten diese teils widersprüchlichen, teils unklaren Stellungnahmen nicht nur als Beweis für ein strategisches Chaos im Weißen Haus, sondern auch als erste Anzeichen einer Verunsicherung, ob angesichts der Verzögerungen bei den militärischen und diplomatischen Bemühungen die bisherigen Pläne - vom raschen Sieg in einem "Blitzkrieg" bis hin zu einem international unterstützten und finanzierten Wiederaufbau des Irak - noch Erfolg versprechen. Gleichzeitig bemüht man sich jedoch, nach außen weiter Entschlossenheit zu demonstrieren und aufs Tempo zu drücken. Bereits am Anfang kommender Woche will Washington im UN-Sicherheitsrat den zuletzt eingebrachten Resolutionsentwurf zur Abstimmung stellen, berichtete gestern die "Washington Post". Regierungsvertreter wiesen aber auch darauf hin, dass noch überlegt werde, ganz auf ein Votum zu verzichten, wenn sich kein Einlenken der Veto-Mächte Frankreich, Russland und China abzeichne und der für Freitag anstehende Blix-Bericht nicht genügend die irakischen Versäumnisse beim Namen nenne. In diesem Fall lautet die Marschroute des Weißen Hauses: Saddam Hussein hat die wesentlichen Forderungen der UN-Resolution 1441, nämlich eine vollständige und unverzügliche Abrüstung, bis zur Februar-Frist nicht erfüllt - und der Sicherheitsrat selbst verweigere sich nun seiner Verantwortung.

US-Präsident Bush ist dabei - glaubt man den offiziellen Verlautbarungen - fest entschlossen, sich weder von der bisherigen türkischen Ablehnung einer Militärkooperation noch von der Zuspitzung der Nordkorea-Krise oder den Warnungen der Opposition in seiner Entschlossenheit beeinträchtigen zu lassen. Der einflussreiche demokratische Senator Edward Kennedy mahnte jedoch energisch Geduld an: "Wir sollten den Inspektoren mehr Zeit geben", so Kennedy. Er fürchtet, dass die Bush-Regierung durch einen raschen Kriegs-Befehl allen Kredit verspielen werde, den sie noch bei befreundeten Nationen genieße. "Die Weltmeinung steht derzeit gegen uns", sagte der Senator.

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