Bringschuld Bulgariens

BERLIN. Der Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur EU Anfang nächsten Jahres steht mindestens im Fall Bulgariens wieder in Frage. Gestern sprachen sich die Vorsitzenden der zuständigen Ausschüsse in Bundestag und Europaparlament, Matthias Wissmann und Elmar Brok (beide CDU), dafür aus, die Entscheidung auf Herbst zu vertagen – in Abstimmung mit Kanzlerin Angela Merkel.

Aus Brüssel gibt es Signale, dass die Europäische Kommission die deutsche Linie einschlagen könnte. Nach dem ursprünglichen Fahrplan sollte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn am kommenden Dienstag mit seinem Bericht über den Entwicklungsstand der beiden Länder eine Vorentscheidung treffen. Die EU-Regierungschefs wollten bei ihrem Gipfel Mitte Juni in Brüssel grünes Licht geben. Wissmann und Brok verlangen nun einen weiteren Bericht Rehns im Herbst. Erst danach könne der Bundestag den Beitrittsvertrag mit beiden Ländern ratifizieren. Auch ein getrenntes Verfahren für beide Länder sei möglich, sagte Wissmann. Denkbar wäre dann, dass Rumänien, das in der Entwicklung viel weiter gekommen ist, wie vorgesehen zum 1. Januar 2007 EU-Mitglied wird, Bulgarien aber erst ein Jahr später. Nach Informationen unserer Zeitung gilt in der Bundesregierung als wahrscheinlich, dass Rehn am Dienstag zwar den Beitrittstermin 2007 für beide Länder bestätigt, im Falle Bulgariens aber Bedingungen formuliert. Wenn Bulgarien die Bedingungen nicht bis zum Herbst erfülle, könne seine Mitgliedschaft mit Auflagen verbunden werden, hieß es in Regierungskreisen. Wissmann und Brok führten als Gründe für ihren Vorstoß massive Besorgnisse wegen der Entwicklung des Justizwesens in Bulgarien an. Der Kampf gegen organisierte Kriminalität, Korruption und Geldwäsche werde nur inkonsequent geführt. Gleiches gelte für Drogen- und Waffenhandel. Brok forderte die bulgarische Regierung auf, entsprechende Gesetze zu erlassen und umzusetzen. Erst dann seien die Bedingungen für den Beitritt erfüllt.Neue Regeln für Erweiterungen

Wissmann sagte, bei den Beitritten dürfe es keinen "politischen Rabatt" geben. Bulgarien habe jetzt eine "Bringschuld". In Bulgarien wird darauf hingewiesen, dass die Antikorruptionsgesetze erst kürzlich erlassen oder in Kraft getreten seien und es Zeit brauche, bis sie wirkten. Vom Beitritt erhoffe man sich einen Impuls auch für die Bekämpfung der Mafia. Dass die Zusagen an Bulgarien und Rumänien eingehalten werden sollen, bekräftigen auch Brok und Wissmann. Bei künftigen EU-Erweiterungen müsse man allerdings anders vorgehen, sagte Wissmann. Statt einer sofortigen Vollmitgliedschaft müsse es je nach Entwicklung eines Landes aber eine abgestufte Teilnahme an der europäischen Zusammenarbeit geben. Kanzlerin Merkel will am morgigen Donnerstag im Bundestag eine Regierungserklärung zur Europapolitik abgeben. Erwartet wird, dass sie dabei auch zum Beitritt Bulgariens und Rumäniens Stellung nimmt. Merkel erklärte gestern beim europapolitischen Forum des Westdeutschen Rundfunks in Berlin, dass die EU nicht unbegrenzt erweitert werden könne. "Bestimmten Ländern" müsse man klar sagen, dass eine Mitgliedschaft auf absehbare Zeit nicht möglich sei. Gegebene Versprechungen müssten aber eingehalten werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort