Brisante Enthüllungen

WASHINGTON. (die) Abrechnung nach der Kündigung: Der amerikanische Ex-Finanzminister Paul O‘Neill geht mit Präsident George W. Bush hart ins Gericht. Dieser habe eine Invasion im Irak früher geplant als öffentlich verkündet, sagt O‘Neill.

Im Dezember 2002 verlor US-Finanzminister Paul O‘Neill seinen Job, nachdem er das getan hatte, was im Weißen Haus als Todsünde gilt: Sich offen gegen die Politik von George W. Bush auszusprechen. O‘Neill hatte vor den Folgen neuer Steuersenkungen für das US-Haushaltsdefizit gewarnt - und Bush brüskiert. Nun ergreift O‘Neill wieder das Wort - mit Hilfe eines Buches, das eine Vielzahl brisanter Vorwürfe gegenüber seinem einstigen Dienstherrn enthält. Die wichtigste Anschuldigung: Bush habe kurz nach Amtsantritt - und somit deutlich vor dem 11. September 2001 - mit den Planungen für den Irak-Krieg begonnen. Und auch in dem Buch "The Price of Loyalty" ("Der Preis der Loyalität") von Ron Suskind rechnet O‘Neill mit Bush ab. So erfährt der Leser, dass offenbar in den ersten drei Monaten des Jahres 2001 - kurz nach dem Einzug des Republikaners ins Weiße Haus - Pläne innerhalb der Regierung im Umlauf waren, in denen es um die Invasion des Irak, Vorstellungen für eine Nachkriegs-Ära in Bagdad sowie Verwendung und Kontrolle des irakischen Öls gegangen sei. Wenig erfreulich für Bush ist auch die Erinnerung O‘Neills an ein Treffen mit Beratern des Präsidenten, bei dem es um das Thema Irak gegangen sei und keiner der Bush-Mitarbeiter in Frage gestellt habe, ob eine Invasion der richtige Weg sei. "Es ging nur darum, einen Weg zu finden, es zu tun", wird das frühere Kabinettsmitglied zitiert, "das war die dominierende Tonart". In seinen 23 Monaten als Finanzminister habe er "niemals nur ein Indiz dafür gesehen, das als Beweis für die Existenz von Massen-Vernichtungswaffen dienen könnte", so O‘Neill. Gleichzeitig charakterisiert er Bush als introvertierten wie weitgehend unfähigen Politik-Manager, der ihm "wie ein Blinder in einem Raum mit tauben Menschen" vorgekommen sei. Das Weiße Haus versuchte am Wochenende, die Brisanz der Attacke zu entschärfen. "Tatsache ist doch, dass die internationale Gemeinschaft Saddam Hussein schon vor dem 11. September 2001 als Bedrohung gesehen hat", so Bush-Sprecher Scott McClellan. Gleichzeitig verwies er darauf, dass bereits der demokratische Ex-Präsident Bill Clinton 1998 die Beseitigung Saddam Husseins als außenpolitisches Ziel definiert hatte. Clinton hatte allerdings stets einen "Umsturz von innen" als erfolgversprechendste Strategie verfolgt.

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