Brisante Enthüllungen

Washington/New York. Hat die US-Regierung bereits lange vor dem 12. Juli – dem Tag, an dem Hisbollah-Extremisten auf israelischem Gebiet acht Soldaten töteten und zwei entführten – gemeinsam mit Jerusalem eine Angriffsplanung für den Libanon entwickelt? Dieser Vorwurf ist in brisanten Enthüllungen enthalten, die gestern in Washington bekannt wurden.

Eine weitere Frage: Hat US-Präsident George W. Bush die israelische Offensive und deren Dauer deshalb gebilligt, weil die "Falken" im Weißen Haus dies auch als "Testlauf" für mögliche Luftangriffe auf die iranischen Nuklear-Forschungsanlagen ansahen? Der prominente amerikanische Enthüllungs-Journalist Seymour Hersh beantwortet jetzt diese beiden brisanten Fragen mit "ja". Er beruft sich auf zuverlässige Quellen innerhalb des amerikanischen Geheimdienstes und in diplomatischen Kreisen.Regierungssprecher weist Behauptungen zurück

Während ein US-Regierungssprecher die Behauptungen von Hersh als "unwahr" zurückweist, beharrt der Autor des "New Yorker"-Magazins auf seiner Darstellung und nennt als Beleg Einzelheiten: In den Wochen vor dem 12. Juli hätten mehrere hochrangige Israelis Washington besucht und dort um "grünes Licht" für ein Bombardement gebeten, das auf eine der nächsten Provokationen durch die Hisbollah folgen sollte. Ebenso hätten die Abgesandten herausfinden sollen, welcher Umfang an militärischer Aktion im Weißen Haus für zumutbar gehalten werde. Präsident Bush und sein Stellvertreter Dick Cheney seien überzeugt worden, dass eine erfolgreiche Bombardierungs-Kampagne der israelischen Luftwaffe gegen die unterirdischen Bunker und Kommandozentralen der Hisbollah nicht nur Israel sicherer machen werde, sondern auch als "Vorspiel" für eine amerikanische Attacke auf iranische Atom-Forschungsstätten dienen könne. Denn nach einer Vernichtung der Hisbollah-Waffen, so argumentiert Hersh, fehle dieser Organisation die Möglichkeit, bei einem US-Angriff auf den Iran Vergeltungsangriffe gegen Israel zu starten.Pläne für Einsatz von Mini-Atombomben?

Hersh hatte im April dieses Jahres bereits über angebliche Pläne des Pentagons berichtet, bei einem Scheitern der UN-Diplomatie Luftschläge gegen iranische Nuklearzentren vorzunehmen und dabei auch "Mini-Atombomben" einzusetzen, um die besonders starke Sicherung dieser Anlagen zu eliminieren. Dieser Bericht war von Bush als "wilde Spekulation" bezeichnet worden. Ungeachtet der offiziellen Dementis würde eine enge Kooperation zwischen Israel und den USA bei der Planung der Militäraktionen gegen die Hisbollah politisch einen Sinn ergeben: US-Präsident Bush stuft die Extremisten als Terrorgruppe und damit auch als Feind Amerikas ein. Noch auf dem letzten G-8-Gipfel in St. Petersburg hatte Bush die Beziehung zwischen der Hisbollah und den Unterstützern im Iran und in Syrien als "eine der Wurzeln der Instabilität" im Nahen Osten bezeichnet. Konservative Wortführer in den USA machen sich bereits für eine militärische Lösung der Atom-Kontroverse mit dem Iran stark. Die Beiträge von Seymour Hersh hielten in der Vergangenheit meist einer kritischen Betrachtung stand: So gewann der auf Militärthemen spezialisierte Autor für seine Enthüllungen zum My-Lai-Massaker während des Vietnam-Kriegs den Pulitzerpreis. Hersh berichtete ebenfalls als einer der Ersten - und gestützt auf detaillierte Insiderinformationen - über die skandalösen Vorgänge im Abu-Ghraib-Gefängnis in Bagdad.

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