Brüderle will Großkonzerne entmachten

Für die einen kommt es einer Enteignung gleich, für die anderen ist es längst überfällig. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat mit seinem Plan, dem Kartellamt die zwangsweise Auflösung (Entflechtung) von Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung zu erlauben, einen heftigen Streit ausgelöst.

Berlin. Das deutsche Kartellrecht kennt eine Fusionskontrolle, die das Entstehen marktbeherrschender Firmenkonglomerate verhindern soll, und Bußgelder, wenn Marktmacht missbraucht wird. Dass Monopole oder Oligopole sich durch den Verkauf von Unternehmensteilen zwangsweise wieder aufspalten müssen, kann die Bonner Behörde jedoch anders als in Großbritannien, der Schweiz oder den USA bisher nicht durchsetzen. Das will Brüderle ändern. Er will in das "Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen" einen neuen Paragrafen 41 einfügen, der dem Kartellamt die Möglichkeit einer Entflechtungsanordnung an die Hand gibt. Freilich müssen enge Bedingungen eingehalten werden, etwa dass sich die Marktsituation hinterher wirklich verbessert. Keine Bedingung ist es, dass das Unternehmen seine Marktmacht tatsächlich missbräuchlich nutzt.

Außerdem will Brüderle einen "Ministerdispens" einführen: Ähnlich wie bei Fusionen, die im Ausnahmefall auch gegen die Meinung des Kartellamtes durch den Wirtschaftsminister genehmigt werden können, soll die Politik künftig Firmen vor der neuen Zwangsmaßnahme schützen können, wenn es dafür überragende Gründe gibt. Brüderles Referentenentwurf befindet sich derzeit in der Abstimmung mit den Ressorts; Ende März sollte er ursprünglich ins Kabinett. Daraus wird wohl nichts.

Denn die Widerstände werden immer lauter. Die Front verläuft innerhalb der Union einerseits und zwischen großer Industrie und Mittelstand andererseits. So giftete BDI-Geschäftsführer Werner Schnappauf, einst CSU-Minister in Bayern, allein die Größe eines Unternehmens sei noch kein Grund, um es zum "sozialschädlichen Eigentum" zu machen. Die Pläne gingen über EU-Recht hinaus und seien ein "gefährlicher Alleingang". Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Joachim Pfeiffer, sieht die Gefahr, dass das Instrument der Entflechtung gegen Unternehmen eingesetzt werde, die zwar eine marktbeherrschende Stellung innehaben, diese aber gar nicht missbrauchen. "Mir graut bei der Vorstellung, jemand wie Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht bekäme so etwas einmal in die Hand: Sie könnte damit die Wirtschaft zerschlagen". Er halte das Problem ohnehin nicht für vordringlich. "Es gibt für den Wirtschaftsminister gegenwärtig sicher wichtigere Themen." Ähnlich der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk: Zwar seien Entflechtungsgesetze international üblich und in Deutschland überfällig, aber "es darf auf keinen Fall zu deutschen Sonderregelungen mit nationalen Verschärfungen kommen". Der Entwurf bedürfe einer "höchst kritischen Überprüfung".

Brüderle beruft sich auf den Koalitionsvertrag, der die Entflechtung "als ultima ratio" (letztes Mittel) vorsieht. Der FDP-Minister will ein Signal für den Mittelstand setzen und bekommt von dort auch Unterstützung. Der Vorsitzende der CDU-Mittelstands-Union, Josef Schlarmann, sagte, die Regelung erweitere das Instrumentarium des Kartellamtes um eine entscheidende Komponente. Dieses habe die Aufgabe, Wettbewerb auf allen Märkten aktiv herzustellen, nicht nur passiv. Es gebe in zahlreichen Bereichen oligopolistische Strukturen, sagte der Unions-Politiker und nannte den Energiesektor, die Automobilzulieferer und -händler sowie Teile des Agrarhandels. Schlarmann räumte ein, dass das Thema in der Koalition eine "heiße Debatte" auslösen werde. Wenn man aber Wettbewerb herstelle, habe dies mit Sozialismus nichts zu tun.

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