Bundesernährungsminister Schmidt im TV-Interview - Wo Erdbeere draufsteht, soll bald Erdbeere drin sein

Trier/Berlin · Kalbsleberwurst, die aus Schweinefleisch gemacht wird: Solche verwirrenden Lebensmittelbezeichnungen soll es ab Juli nicht mehr geben. Das sagt Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) im Interview. Auch über Biogas, Tierschutz und Milchkrise hat der TV mit ihm gesprochen.

Bundesernährungsminister Schmidt im TV-Interview - Wo Erdbeere draufsteht, soll bald Erdbeere drin sein
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Trier/Berlin. In manchem Erdbeerjoghurt findet sich keine einzige Erdbeere. Das soll sich laut Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) bald ändern. Unsere Redakteure Damian Schwickerath, Lars Ross und Katharina de Mos haben mit Schmidt, der auch für das Thema Ernährung zuständig ist, darüber gesprochen, was Lebensmittelerzeuger und Verbraucher derzeit bewegt.Schwerpunkt Unser Täglich Brot



Die Zeiten sind schwierig, macht es noch Spaß, Landwirtschaftsminister zu sein?
Christian Schmidt: Der Spaßfaktor muss zurückstehen, wenn man Lösungen erreichen muss.
Wie könnte die Lösung für die vielen Milchbauern, die in der Krise stecken, denn aussehen?
Schmidt: Eine Rückkehr zur Quote schließe ich aus. Die ist auch rechtlich in Europa gar nicht machbar. Eine intensivere Marktbeobachtung - wie wir sie auf EU-Ebene etablieren wollen - würde den Molkereien helfen, besser auf Marktveränderungen zu reagieren. Es gibt aber keinen Hebel, den man umlegen kann, um die Probleme zu lösen. Wir können die Gesetze zwischen Angebot und Nachfrage in einem globalen Markt nicht durch nationale oder europäische Eingriffe außer Kraft setzen.
Was soll aus den vielen Biogasanlagen werden, wenn die Förderung ausläuft?
Schmidt: Biogas ist die einzige erneuerbare Energiequelle, die zu- und abgeschaltet werden kann und die grundlastfähig ist. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass sie auch künftig ein Teil des Energiemixes ist. Einer massiven Ausdehnung stehe ich allerdings skeptisch gegenüber. Ich komme aus einer Region, in der die Landpreise auch durch Biogas geradezu explodiert sind.
Erdbeerjoghurt ohne Erdbeeren, Kalbsleberwurst aus Schweinefleisch. Ist das okay?
Schmidt: Nein. Die Lebensmittelkennzeichnung muss sich wieder stärker an den Erwartungen der Verbraucher orientieren. Deswegen habe ich die Deutsche Lebensmittelbuchkommission mit Zustimmung aller beteiligten Gruppen reformiert. Diese Kommission formuliert die Leitsätze für die Lebensmittelkennzeichnung, an denen sich die Hersteller orientieren und die sich danach richten, was die Verbraucher unter einer Bezeichnung verstehen. Die Veränderung wird zum 1. Juli in Kraft treten. Künftig werden auch die Erkenntnisse des Portals "Lebensmittelklarheit" stärker berücksichtigt. Bei dem Portal können Verbraucher Produkte melden, von deren Aufmachung sie sich getäuscht fühlen. Das ist ein langwieriger Prozess, weil Tausende Lebensmittel kontrolliert werden müssen. Ab Ende des Jahres werden auch die Nährwerttabellen verbindlich sein. Die Nährwerte müssen dann verpflichtend gekennzeichnet werden.
Tierschutz ist Verbrauchern wichtig: Warum gibt es so wenige erkennbare Produkte, die besseren Tierschutz garantieren?
Schmidt: Ich will Deutschland zum Trendsetter beim Tierwohl machen. Das nützt den Tieren und auch den Einkommen der Landwirtschaft. Wir haben heute verschiedene Initiativen für mehr Tierwohl am Markt, aber den Verbrauchern fehlt es an Transparenz. Deshalb prüfe ich in meinem Haus die Möglichkeiten für einheitliche Standards und eine einheitliche Kennzeichnung von Tierwohlprodukten.
Sie wollen ein Schulfach Ernährungsunterricht. Die Kultusminister halten davon aber gar nichts.
Schmidt: Das hält mich nicht davon ab, das Thema anzupacken - es ist zu wichtig. Immer mehr Kinder neigen zu Übergewicht. Deswegen gehören die Grundlagen der Ernährungsbildung in die Schulen: Hier erreichen wir alle Kinder - egal woher sie kommen. Darüber hinaus setze ich mich für eine gute und ausgewogene Schulverpflegung ein. Wir haben die Standards formuliert. Jetzt setze ich auf die Schulen, die Eltern und die Caterer, dass sie diese auch umsetzen. Wobei ich ganz klar sage, eines wird es mit mir nicht geben: den Veggie-Day. Ich bin gegen Ernährungsideologien. Jeder soll essen, was ihm schmeckt und ihn glücklich macht. Es kommt dabei aber auf die Dosis an.
Die Flächen, die Landwirte nutzen können, werden immer weniger und die Preise immer höher.
Schmidt: Klar ist: Wenn man immer mehr Flächen aus der Produktion nimmt, treibt das die Preise für die verbleibenden Flächen nach oben. Dafür trägt also auch die rheinland-pfälzische Landesregierung Verantwortung. Unser Ziel ist es, den täglichen Verlust land- und forstwirtschaftlicher Flächen von heute 70 Hektar auf 30 Hektar im Jahr 2020 zu reduzieren. Dazu muss man im Naturschutz die Frage der Kompensation anders regeln. Deswegen halte ich es für sehr schade, dass die Bundeskompensationsverordnung seit 2013 im Bundesrat hängt.
Deutsche Winzer fordern ein europaweites Steillagen-Förderprogramm. Wie realistisch ist das?
Schmidt: Um ein Steillagenprogramm zu schaffen, müsste das EU-Recht geändert werden. Mangels Betroffenheit der meisten Mitgliedstaaten ist eine Mehrheit dafür nicht in Sicht. Wir fördern aber über bestehende Instrumente bereits heute die Steillagen umfangreich. So sieht insbesondere das Nationale Stützungsprogramm höhere Fördersätze für die Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen in Steillagen vor. Insgesamt haben EU, Bund und Land in den vergangenen Jahrzehnten die rheinland-pfälzischen Weinbausteillagen mit 200 Millionen Euro gefördert.
Für Steillagenwinzer ist der Hubschraubereinsatz zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten wichtig. Wird auch in Zukunft der Spritzhubschrauber fliegen dürfen?
Schmidt: Mir ist es immer wichtig gewesen, diese Option zu schaffen. Wo es keine sinnvollen Alternativen gibt, muss auch in Zukunft die Bekämpfung aus der Luft erfolgen können.Extra

Christian Schmidt (58, Foto: dpa) ist seit Februar 2014 Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Seit Oktober 2011 ist Schmidt stellvertretender Vorsitzender der CSU. red

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