Bundespräsident erklärt Mailbox-Affäre für erledigt

Berlin · Auch am Tag nach seinem Interview in eigener Sache bläst Christian Wulff der Wind weiter kräftig ins Gesicht. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht nun vor allem der Wortlaut jener Mailbox-Nachricht, mit der Wulff bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann gegen die Veröffentlichung der Kreditaffäre interveniert hatte.

Berlin. In der Hoffnung auf zusätzliche Entlastung ließ er zwar wie angekündigt eine Erklärung im Zusammenhang mit der privaten Kreditaffäre ins Netz stellen. Aber die Opposition sieht weiteren Aufklärungsbedarf. Und Wulff selbst hat dafür die Munition geliefert - seine Fehde mit der Bild-Zeitung geht in eine neue Runde.
Die Angelegenheit sei nicht ausgestanden, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Bei Politikern aus der schwarz-gelben Koalition klang es gestern hinter vorgehaltener Hand ähnlich. Mit seinem Interview habe Wulff die große "Bazooka" herausgeholt, meinte einer von ihnen. Aber "abgeräumt" habe er die Vorwürfe nicht. Diese Einschätzung lässt sich durch die sechs Seiten lange "zusammenfassende Stellungnahme" untermauern, die Wulffs Anwälte im Internet veröffentlicht haben. Sie soll Interessierten einen "Überblick" über die Vorwürfe und ihre Aufklärung verschaffen. In der Stellungnahme könne jeder Bürger "jedes Detail zu den Abläufen sehen", hatte Wulff am Mittwochabend via Fernsehen erklärt.
Die Schlüsselfrage des gestrigen Tages blieb in dem Papier jedoch unbeantwortet: Was hat Wulff vor Erscheinen des ersten Bild-Artikels zu seinem umstrittenen Privatkredit am 13. Dezember gegenüber dem Chefredakteur des Blatts, Kai Diekmann, wirklich am Telefon gesagt? Hier verwiesen die Anwälte lediglich auf das Fernseh-Interview von Wulff. Demnach wollte der Bundespräsident mit seinem Anruf die Berichterstattung nur um einen Tag verschoben wissen, "damit sie sachgemäß ausfallen kann". Nach Darstellung der Bild-Chefetage hatte der Anruf jedoch "ganz klar das Ziel", die Berichterstattung "zu verhindern".
Aufschluss könnte die Veröffentlichung von Wulffs Äußerungen bringen, die auf der Mailbox von Diekmann gespeichert sind. Wohl auch aus rechtlichen Gründen verlangte Bild dazu gestern in einem offenen Brief das Einverständnis von Wulff. Damit geriet der Präsident erneut in Zugzwang. Für mehrere Stunden herrschte Funkstille im Bundespräsidialamt. Erst am Nachmittag kam eine offizielle Stellungnahme. Darin lehnte der Präsident eine Veröffentlichung ab. Begründung: Er habe sich schon kurz nach seinem Telefonat bei Diekmann persönlich entschuldigt, was der "dankenswerterweise" angenommen habe. "Damit war die Sache zwischen uns erledigt. Dabei sollte es aus meiner Sicht bleiben". Die Behauptung der Bild-Zeitung", Wulff sei gegen die Berichterstattung gewesen, steht also weiter im Raum.
Und nicht nur das. Auch im Falle eines Journalisten der Welt am Sonntag, den Wulff vor der Veröffentlichung eines Artikels über dessen Stiefschwester in seinen Amtsitz zitiert hatte, steht Aussage gegen Aussage. Nach Wulffs Worten hatte sich der Redakteur "über die Gelegenheit gefreut". Und es sei auch "nichts zurückgeblieben". Dagegen sprach das Springer-Blatt von einer massiven Intervention Wulffs, um auch hier die Berichterstattung zu verhindern.
Auch in der Stellungnahme von Wulffs Rechtsbeistand tun sich Ungereimtheiten auf. So hatte Wulff im Februar 2010 die Frage verneint, ob er im Zusammenhang mit dem privaten Hauskredit von 500 000 Euro Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens unterhalten habe. Das Darlehen lief aber über dessen Ehefrau, wie sich später herausstellte. Nun heißt es in der Stellungnahme der Anwälte, die Modalitäten für den Kredit seien "gemeinsam zwischen den Ehepaaren" Geerkens und Wulff besprochen worden. Auch wird ein Anschlusskredit mit ungewöhnlich niedrigen Zinsen als die normalste Sache der Welt dargestellt. Das veranlasste FDP-Bundesvorstandsmitglied Michael Theurer gestern zu der Frage, warum nicht andere Bürger die gleichen Konditionen bekämen.
So richtig festlegen wollen sich aber auch Wulffs Anwälte nicht. Ihnen sei bewusst, dass Antworten auf Fragen von Journalisten "teilweise noch ergänzungs- oder korrekturbedürftig sein könnten", schrieben sie.
Extra

Bundespräsident Christian Wulff hat zwar eine Veröffentlichung seines umstrittenen Telefonanrufs auf der Mailbox von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann abgelehnt, die Zeitung muss sich nach Aussage des Medienrechtlers Axel von Walter von der Kanzlei Beiten Burkhardt allerdings nicht an diese Vorgabe halten. Im Augenblick überwiege das öffentliche Interesse an dem Anruf, so der Medienrechtler. Dadurch könne sich Wulff nicht auf den Schutz durch das Persönlichkeitsrecht berufen. Die Bild-Zeitung könne jederzeit den Inhalt des Anrufbeantworters veröffentlichen und hätte gute Chancen bei einem folgenden juristischen Streit, Recht zu bekommen, so von Walter. tz

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