Bundeswehr bleibt Parlamentsarmee

Berlin · Ohne Zustimmung des Bundestages keine Auslandseinsätze der Bundeswehr. Muss dieses Prinzip neu überdacht werden angesichts einer fortschreitenden Arbeitsteilung in der Nato? Mit der Klärung dieser Frage hatte die große Koalition eine Expertenkommission unter Führung des früheren Verteidigungsministers Volker Rühe (CDU) betraut.

Nach gut einjähriger Arbeit legte die Expertenkommission gestern ihren Abschlussbericht vor. Wichtigstes Fazit: "Es gibt keinen Grund, die Parlamentsrechte einzuschränken", erklärte Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe. Allerdings werden auch einige Änderungen vorgeschlagen. Nachfolgend die wichtigsten Hintergründe und Details:

Wo ist das Problem?
Die Bundeswehr ist in den letzten Jahren immer stärker in die Nato-Strukturen eingebunden worden. Wenn zum Beispiel Transportkapazitäten benötigt werden oder das Luftabwehrsystem Patriot, greift die Nato auf Deutschland zurück. In ihren Kommandostellen gibt es gemeinsame Stäbe. In Awacs-Aufklärungsflugzeugen sitzen multinationale Besatzungen, darunter auch Deutsche. Werden sie bei bewaffneten Konflikten eingesetzt, muss der Bundestag zuvor zustimmen. Geschieht das nicht, müssen die deutschen Soldaten die Maschinen verlassen. In der Union, aber auch bei einigen Natopartnern wird deshalb befürchtet, dass Bündniseinsätze blockiert oder gefährdet werden könnten.

Was hat die Kommission konkret untersucht?
Auftrag der im März 2014 per Bundestagsbeschluss eingesetzten Kommission war es, "zu prüfen, wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration (...) die Parlamentsrechte gesichert werden können". Dabei stand vor allem das im Jahr 2005 verabschiedete Parlamentsbeteiligungsgesetz im Fokus. Es legt fest, dass eine Zustimmung des Bundestages beim "Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte" im Ausland erforderlich wird. Darunter fällt selbst die Entsendung einzelner Militärberater. In den anderen Nato-Staaten wird die Genehmigung deutlich lockerer gehandhabt.

Was empfehlen die Experten?
Die Kommission plädiert für eine gesetzgeberische Klarstellung des Einsatzbegriffes, nach der sich auch eine parlamentarische Zustimmung erübrigen soll. Darunter fallen aus Sicht der Experten Einsätze, bei denen die Soldaten entweder unbewaffnet sind oder Waffen nur zur Selbstverteidigung mit sich führen. Hier geht es zum Beispiel um logistische Unterstützung, medizinische Versorgung außerhalb von Kampfgebieten sowie um die Ausbildung ausländischer Soldaten wie etwa den kurdischen Kämpfern im Nordirak. Dazu war zuletzt ein Bundestagsmandat erforderlich.

Also wird der Bundestag doch geschwächt?
Nicht unbedingt. Denn an anderer Stelle will die Rühe-Kommission die Parlamentsrechte ausweiten. So soll die Bundesregierung verpflichtet werden, die Abgeordneten in Zukunft über Geheimmissionen der Kommandos Spezialkräfte (KSK) zu unterrichten. Außerdem ist dem Parlament jedes Jahr ein Regierungsbericht über die "multilateralen militärischen Verbundfähigkeiten" vorzulegen. So erhalten die Abgeordneten regelmäßig Einblick in die Nato-Einbindung Deutschlands und daraus resultierende Bundeswehreinsätze.

Hat der Bundestag schon Einsätze abgelehnt?
Nein. Laut Kommissionsbericht wurden seit 1994 von der Regierung 138 Anträge zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte gestellt, die vom Bundestag ausnahmslos genehmigt wurden. In eilbedürftigen Fällen auch innerhalb einer parlamentarischen Sitzungswoche, in Einzelfällen sogar innerhalb eines Tages.
Gegenwärtig sind etwa 2600 Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätzen, darunter in Afghanistan, Mali sowie in der Türkei.

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