"Bundeswehr gibt es nicht light"

MAINZ. Sparprogramm, Personalabbau und neue Aufgaben: Die Bundeswehr kämpft an vielen Fronten. Die ruhigen Zeiten mit klarer Gefechtslage sind vorbei. Auf die Truppe warte die permanente Reform, sagt ihr oberster Soldat, General Wolfgang Schneiderhan.

"Der Generalinspekteur ist augenblicklich Hochleistungssportler", so umschreibt General Wolfgang Schneiderhan plastisch den straffen Reformparcours, den Bundesverteidigungsminister Peter Struck der Truppenführung verordnet hat. Bis 2010 müsse die Einsatzfähigkeit im multinationalen Rahmen verbessert werden, heißt das "Unternehmensziel" der kommenden Jahre, wie der Generalinspekteur vor Militärs und Zivilisten in Mainz wissen lässt. Die Zeiten längerfristiger Strukturen, daran lässt er keinen Zweifel, sind vorbei. Die Bundeswehr erwartet die permanente Veränderung. Auf rund 250 000 Soldaten soll die Truppe bis 2010 schrumpfen (minus 39 000) und in Eingreifkräfte (35 000), Stabilisierungskräfte (70 000) und Unterstützungskräfte (137 500) untergliedert werden. Für machbar und sinnvoll hält Schneiderhan den umwälzenden Umbau. Dass es weniger Divisionen geben wird und Milliarden schwere Rüstungsvorhaben gestrichen werden, lässt ihn keineswegs schwarz sehen. "Wir bringen eine ordentliche Bewaffnung hin", verspricht er seinen Mannen. Neues Denken ist bei ihm gefragt: Gebrauchte Aufklärungsflieger aus den Niederlanden, der Panzer als elektronischer Wachturm oder Tornado-Übungsflüge in Afghanistan statt in Texas. Selbst wenn die Armee durch die neuen internationalen Herausforderungen grundlegend umgebaut wird und auf viele traditionelle Waffensysteme verzichten soll, wird es laut Schneiderhan keine Bundeswehr "light" geben. Auch Stabilisierungskräfte müssen nach seiner Überzeugung kämpfen können und gepanzert sein. Doch die Zukunft liegt in moderner Militärtechnologie. Daran lässt er keinen Zweifel. Den Menschen aus der direkten Schusslinie nehmen, stattdessen Kampf auf Distanz, lautet seine Parole. Doch der Geldmangel setzt enge Grenzen. Nur ein Teil der Truppe kann als High-Tech-Armee ausgerüstet werden. Hunderte Arbeitsplätze gefährdet

Kämpfen will der Generalinspekteur auch für die Wehrpflicht. Wer die nur halbherzig unter Kostengründen verteidigt, wird nach seinen Worten dem Dienst und den Menschen nicht gerecht. Er plädiert eindringlich für die Verankerung des Militärs in der Gesellschaft, nicht zuletzt um einer drohenden Gleichgültigkeit gegenüber möglichen militärischen Einsätzen vorzubeugen. Die neue Bundeswehr, für die bisher rund 55 000 Wehrpflichtige eingeplant sind, bräuchte laut Schneiderhan auch als Berufsarmee eine Gesamtstärke von 250 000 Soldaten. Bei der Bezahlung, die der Bund für die unteren Ränge bieten kann, erwartet er dann zu wenig qualifizierte oder gar keine Bewerber. Auch beim beginnenden Kampf um die Standorte wird der oberste Truppenplaner deutlich: Wenn 100 von 500 Standorten geschlossen werden müssten, könne die Bundeswehr nicht Depots erhalten, die sie nicht mehr brauche. Fielen Hunderte Arbeitsplätze weg, sei das grausam, räumt er ein. Doch diese wirtschaftlichen Probleme könne nicht die Bundeswehr lösen. Die Streitkräfte in der Fläche halten, das ist für ihn keine Anforderung mehr an eine moderne Armee. Doch wenn es um die künftige Aufstellung der Bundeswehr geht, fühlt sich Schneiderhan ohnehin wie Bundestrainer Rudi Völler: Man hat Hunderttausende Co-Trainer, die alle angeblich wissen, wie man richtig spielt.

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